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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Straßer zur Urlaubskultur

Regensburg (ots)

Endlich Sommerferien. Endlich weg! Und das schnell! Sommer, Sonne, Strand und Party im Süden. All-inclusive, versteht sich. "Relaxen am Meer und braun werden!" Das ist wohl die gängigste Antwort auf die Frage nach den Urlaubsplänen. Jeder ist jetzt unterwegs, sucht das Unbekannte und landet doch im schmerzlich Bekannten: in der Blechlawine auf der Autobahn, auf dem Parkplatz ohne freie Parklücke, in der Schlange vor dem Abflugschalter am Flughafen. Anders gesagt: Schon mit Urlaubsbeginn hört der Spaß wieder auf. Der niederländische Tourismuswissenschaftler Jeroen Nawijn beschrieb eine typische "Urlaubs-Glückskurve" einmal so: Zu Beginn der Reise ist die Laune meistens noch schlecht, erst nach zwei bis drei Tagen steigt die Stimmung steil an. Gegen Ende fällt sie dann wieder jäh ab. Nawjin führte das unter anderem auf die Strapazen der An- und Abreise zurück. Ernüchternd sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Frage, wie lange die Erholung nach der Rückkehr anhält. Der Gute-Laune-Puffer ist spätestens nach einem Monat dahingeschmolzen. Die Psychologin Jessica de Bloom von der Universität Nimwegen fasste 2009 verschiedene zu dieser Frage erschiene Studien zusammen. Fazit: Meistens ist der Urlaubseffekt bereits innerhalb der ersten Woche wieder verschwunden. Trotzdem ist das Wegfahren in Deutschland selbstverständlich. In verschiedensten Umfragen geben rund 70 Prozent der Deutschen an, ihren Haupturlaub im Ausland zu verbringen. Das sind deutlich mehr als Engländer, Franzosen, Spanier oder Italiener. Dummerweise bricht das Gros der Deutschen gleichzeitig auf. So gerne fahren die Deutschen durch die Welt, dass das Reisen für sie zu einem gesellschaftlichen Wettkampf wird. Wie und wo geurlaubt wird, schafft Prestige - oder eben nicht. Die Diskussion über Urlaubsorte gehört zu den häufigsten Konversationsthemen. Und: Ist man weg, müssen Freude und Bekannte via Facebook und WhatsApp mit Urlaubsbildern versorgt werden. Kaum ein Fleck Erde ist vor den mobilen Deutschen sicher. Wo die Sonne scheint, lassen sich die Touristen wie ein Heuschreckenschwarm auf den Liegen nieder. Nichts tun müssen. Im Club tanzen. An der Strandbar Cocktails schlürfen. Wegfahren ja, aber bloß keine Überraschungen erleben. Was man einzupacken vergessen hatte, soll im Urlaubsressort am besten schon da sein. Sich auf die Fremde einzulassen, steht nicht auf dem Urlaubsprogramm. Nur: Wahre Begeisterungsstürme kommen nach solchen Reisen selten auf. Das liegt daran, dass Reisen, die man eingeölt in einer Hängematte verbringt, keine erfüllenden Reisen sind. Zumindest nicht im traditionellen Sinn, bei dem es darum geht, die Welt kennenzulernen. Nein, damit ist nicht gemeint, sich dem Diktat der Sehenswürdigkeiten zu unterwerfen. Den Fehler machen wiederum auch viele. Lange im voraus planen sie die Reise intensiv und takten die Route so dicht durch, dass kaum Zeit bleibt, um durchzuschnaufen. Erholung? Fehlanzeige! Wer nichts vorbucht, wenig Gepäck mitnimmt und sich einfach treiben lässt, wird misstrauisch beäugt. Als vollends verrückt gilt, wer heutzutage zu Fuß reist. Natürlich, das ist extrem und so weit muss und kann nicht jeder gehen. Aber es lohnt sich, seine Aufbrüche vor dem Losbrausen in die Ferien zumindest einmal zu hinterfragen. Denn Reisen ist nicht einfach nur ein Wechsel des Ortes. Reisen bedeutet, sich auf die Fremde einzulassen und sich ihr auszusetzen - ganz in Ruhe. So ein Urlaub macht am meisten Spaß - auch noch Jahre später, weil man unvergessliche Erinnerungen mitbringt.

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