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Mittelbayerische Zeitung: Weltpolizist Deutschland - Die Bundesrepublik muss Verantwortung übernehmen. Nicht alleine. Und nicht ohne den Bundestag. Von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Als Anfang dieses Jahres Bundespräsident Joachim Gauck ein stärkeres außenpolitisches Engagement Deutschlands forderte, sorgte das für einigen Wirbel. Ein Land von der Bedeutung wie die Bundesrepublik könne sich seiner Verantwortung international nicht entziehen - auch militärisch nicht, so lautete die Essenz aus Gaucks Rede bei der Sicherheitskonferenz. Die Aussage ist an Bedingungen geknüpft. Aber sie war und ist richtig. Wenn die Bundesregierung heute erwägt, vor einer abschließenden Entscheidung über Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga den Bundestag zu befragen, so ist das die wichtigste Bedingung. Das Kabinett ist zu diesem Schritt nicht verpflichtet. Schließlich handelt es sich nicht um einen Militäreinsatz. Zumindest noch nicht. Aber Deutschland betritt Neuland, indem es Waffen in ein Krisengebiet liefert. Die zweite Bedingung hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier heute genannt: Deutschland wird keine Alleingänge unternehmen. Dass seit vergangener Woche über das Für und Wider von Waffenlieferungen sogar innerhalb der Parteien kontrovers diskutiert wird, zeigt nur, wie nötig eine Parlamentsdebatte ist - und dass eine Abstimmung zumindest ratsam wäre. Deutschland greift durch die Aufrüstung der Kurden in den Konflikt im Norden des Irak ein. Diese Entscheidung hat Folgen, die bis hin zu einer steigenden Terrorgefahr in Deutschland gehen könnten. Sie hat auch Auswirkungen auf künftige Debatten über deutsches Engagement in Krisen auf der Welt. Und diese Debatten werden auf uns zukommen. Weil das bereits heute schon geschieht. Am Wochenende war die Kanzlerin erneut mit der Frage nach militärischer Unterstützung für die ukrainische Regierung konfrontiert. Eigentlich nur schlüssig: Wenn Berlin Waffen nach Kurdistan schicken will, warum nicht auch nach Kiew? Und was ist mit einer Beteiligung bei einem friedenssichernden Einsatz an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen? Schließlich machen deutsche Soldaten das bereits andernorts. Diese Fragen sind legitim. Bundeswehrsoldaten sind auf dem Balkan im Einsatz, sie kämpfen und sterben in Afghanistan. Deutschland macht schon lange Dinge, die einst tabu waren. Weil die Welt multipolarer geworden ist. Und weil der Weltpolizist in Altersteilzeit ist. Unter Barack Obama haben die USA ihr internationales Engagement zurückgefahren. Das Land ist pleite und kriegsmüde. Obama hatte versprochen, seine Soldaten nach Hause zu holen. Er ist dafür vorauseilend mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und wiedergewählt worden. Er hat nur leider versagt. Die US-Armee hat im Irak rauchende Trümmer hinterlassen, aus denen Dschihadisten den islamischen Staat aufgebaut haben. Afghanistan droht dasselbe Schicksal. Auch die US-Regierung weiß das. Nicht ohne Grund hat Obama mehrfach betont, wie sehr er Partnerschaften schätzt - und er hat dabei mehrfach auf Deutschland geschielt. Die Auszeichnung Merkels mit der Friedensmedaille ist deutlichstes Zeichen dieser Wertschätzung, an die aber auch handfeste Erwartungen geknüpft sind. Ja: Die Bundesrepublik hat weder die Mittel, noch das Material, noch den Willen, weltweit eine militärische Führungsmacht zu sein. Aufgrund des historischen Verständnisses des Landes wäre das weder vertretbar noch politisch umsetzbar. Aber alleine aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner politischen Bedeutung kommt Deutschland nicht umhin, Verantwortung zu übernehmen. Im Angesicht der Bedrohung durch den Islamischen Staat ohnehin nicht. Alleine schon, weil eine langanhaltende Krise im Nordirak die steigenden Flüchtlingszahlen weiter nach oben treiben wird - und damit auch die Zahl derer, die bei uns Schutz suchen. Auch sonst ist der Tabubruch in militärischen Fragen schon längst Normalität. Siehe Balkan. Siehe Afghanistan. Deutschland ist kein Weltpolizist. Aber es ist längst Teil der Weltpolizei. Viele haben damit zurecht ein Problem. Daher ist eine Beteiligung des Bundestags an Entscheidungen über deutsches Engagement in Krisenregionen immer unerlässlich. Auch wenn es "nur" um Waffenlieferungen geht.

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