Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu FDP
Regensburg (ots)
Zuerst begleiteten Spott und Häme den Abstieg der deutschen Freidemokraten aus dem Bundestag, dem sie seit Gründung der Republik angehörten. Der Rauswurf aus diversen Landesparlamenten wurden danach nur noch mit achselzuckender Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen. Inzwischen kommt sogar so etwas wie Mitleid mit der so tief gefallenen FDP auf. Heutige FDP-Aktivisten werden geradezu mitleidig belächelt. Was, bei der Truppe bis du noch? Am Wochenende versuchte die längst tot gesagte FDP, so etwas wie die eigene Wiederauferstehung einzuleiten. Wieder mal. Und nicht besonders originell mit einem Freiheitskongress. Der Weg zurück auf die politische Bühne, in die Parlamente und in die Medien ist offenbar langwieriger und dornenreicher, als sich das der Hoffnungsträger und Jung-Vorsitzende Christian Lindner bei seiner Wahl vor einem Jahr vorgestellt haben mag. Dabei sind, trotz der miserablen Umfragewerte, die Voraussetzungen für ein Comeback der FDP sogar günstig. Nach einem Jahr groß-koalitionärer Verteilungspolitik aus dem Füllhorn ist der Bedarf an liberaler Politik, die auf Freiheit und Eigenverantwortung setzt, so groß wie kaum zuvor. Doch ob die gebeutelte FDP die klaffende Lücke wird ausfüllen könne, ist fraglich. Längst beanspruchen andere Parteien, wie die Grünen oder die eurokritisch-populistische AfD das Erbe der Freidemokraten. Der politische Wettbewerb ist hart. Und auf den Liberalismus und auf liberal gesinnte Wähler gibt es keinen Besitzanspruch, weder von der FDP noch von anderen. Der Freiheitsgedanke in Politik und Gesellschaft muss immer wieder neu durchbuchstabiert und mit jeweils neuem Inhalt gefüllt werden. Doch genau in diesem Punkt hapert es bei Lindner und Co. Ihr Gegenentwurf zum Regierungsprogramm ist vage, nicht zwingend. Klar, dass die FDP die im Grunde sozialdemokratisch regierende Koalition unter Angela Merkel und Sigmar Gabriel wegen ihrer Renten- und Steuerpolitik geißelt. Nicht nur dass die "Groko" mal eben zig Milliarden für Mütterrente und Rente mit 63 ausgibt, sondern sie sträubt sich auch dagegen, Belastungen abzubauen. Weder an den Solidarzuschlag noch an die kalte Progression will man herangehen. Und für wirkliche Zukunftsinvestitionen, etwa für Bildung, Infrastruktur oder Sicherheit, belässt es die Groß-Koalition bei kleinen Zuschlägen. In diese, wenn man so will, Zukunfts-Lücke stößt die FDP bereits. Doch das reicht nicht. Von der FDP muss man mehr erwarten als nur ein Programm des Steuerzahlerbundes. Wo sind eigentlich die Positionen der FDP zur Außenpolitik, zum Ukraine-Russland-Konflikt, zur europäischen Union, die in schweres Fahrwasser geraten ist? Wo ist die FDP, wenn Bund und Länder mit einem Federstrich die Freizügigkeit von EU-Bürgern einschränken, wenn Verbraucherrechte auf dem Altar eines Freihandelsabkommens geopfert zu werden drohen? Christian Lindner ist zweifellos ein großes politisches Talent im ansonsten ziemlich langweiligen Politikgeschäft. Er kam mit kräftiger Unterstützung des FDP-Übervaters Hans-Dietrich Genscher an die Spitze seiner Partei. Und anders als seine Vorgänger Guido Westerwelle und Philipp Rösler hat er sich aus der Gefangenschaft der Union befreit. Welche Optionen die Freidemokraten darüber hinaus aber haben, hätte man schon gern gewusst. Wenn sie denn überhaupt noch einmal zum Politikmachen gebraucht werden in Deutschland.
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