Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Manfred Sauerer zu den Protesten gegen Pegida
Regensburg (ots)
Das war mehr als ein schönes Zeichen, gerade kurz vor Weihnachten. Die Kundgebungen in München und anderen Städten gegen Rassismus und Hetze richteten sich entschlossen und intelligent gegen die Dresdner Pegida. Diese gibt ja vor, das Abendland gegen eine Islamisierung schützen zu müssen. Nichts hätte diesen fremdenfeindlichen Ansatz nun schöner karikieren können als das Transparent, das am Montagabend am Münchner Residenztheater hing: "Gegen eine Idiotisierung des Abendlandes." Die Aktionen waren letztlich auch Dank-Demonstrationen für all jene, die in den vergangenen Monaten mitgeholfen haben, für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge und Asylbewerber einigermaßen gute Bedingungen zu schaffen. Das waren sehr viele Menschen, und sicherlich hätten auch viele ihre Häuser und Wohnungen aufgemacht, um etwa Familien aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen. Aber private Flüchtlingsaufnahme ist in Deutschland nicht möglich. Nach dem 2. Weltkrieg war das anders. Und es hat geklappt. Die Pegida-Organisatoren nutzen die bei vielen Deutschen latent vorhandene Angst vor sozialem Abstieg. Zum Aufhetz-Repertoire gehören massive Kritik an der Flüchtlings- und Asylpolitik der Bundesregierung sowie aus dem Kontext gerissene Hinweise auf hohe Kriminalität von Ausländern und soziales Schmarotzertum im Milieu der Asylsuchenden. Mit den Ängsten der Menschen ließ sich eben schon immer trefflich spielen. Nun kommt es darauf an, denen eine Stimme zu geben, die auf die Kraft einer offenen, auf demokratische Werte gegründeten Gesellschaft vertrauen und nicht in jeder sozialen Problematik den Sündenbock im Milieu der Immigranten suchen. Ein Anfang ist gemacht. Gut so! Es zeichnete sich nämlich ein schiefes Bild des tatsächlichen Meinungsspektrums in Deutschland ab. Mit Blick auf die Weihnachtsgeschichte darf man getrost behaupten, dass die meisten Menschen Maria und Josef eine Herberge geben würden - zumindest theoretisch. Eine Gefahr durch dieses arme Paar aus dem Morgenland witterten wohl die wenigsten. Im Herbst 2014 waren aber lange diejenigen deutlicher zu hören, die Jesu Eltern den Weg zu unseren Türen schon im Grundsatz verbauen möchten. Der Gipfel des Zynismus ist erreicht, wenn nach all der Hetze schließlich wie am Montag in Dresden drei Weihnachtslieder gesungen werden. Die christlichen Kirchen mit ihrem zentralen Anliegen der Liebe zu Gott und den Menschen können da nicht schweigen. Und sie beginnen langsam, sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen. Die Evangelische Kirche Deutschlands nennt Pegida ob ihrer Intention unchristlich. Der katholische Erzbischof Ludwig Schick aus Bamberg meint, Christen dürften sich Pegida nicht anschließen. In den Reihen der "Abendland-Schützer" herrschten Rassismus und Nationalismus. Dabei würden Engagement und Solidarität gebraucht. Und mit Blick auf die vermeintliche Gefahr durch den Islam ergänzt Schick: "Wir möchten, dass alle Menschen ihren Glauben leben können." Regensburgs Oberhirte Rudolf Voderholzer schließlich erinnert an die Willkommenskultur des Abendlandes. Gerade jetzt, da die Geburt Christi gefeiert wird und die vergebliche Herbergssuche seiner Eltern wieder deutlich erlebbar wird, ist auch der richtige Zeitpunkt für den interreligiösen Dialog. Papst, Bischöfe und Pfarrer müssen im Angesicht der Krippe die friedliche Koexistenz der Religionen betonen. Allem Extremismus zum Trotz. Dieser hat eh nur dort langfristig eine Chance, wo ihm Gleichgültigkeit und Unaufgeklärtheit begegnen.
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