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Mittelbayerische Zeitung: Referendum, aber richtig - Eine der Lehren des Brexit ist: Die EU hat ein Imageproblem. Volksabstimmungen sind da aber keine Lösung. Von Katia Meyer-Tien

Regensburg (ots)

Vor rund einer Woche waren es noch die Pessimisten unter den Politikern, Journalisten und Analysten, die im Falle eines Votums der Briten für den Austritt aus der EU vor einem europaweiten Flächenbrand warnten. Nun, fünf Tage nach dem Ja zum Brexit stapeln Rechtspopulisten überall fleißig Holz aufeinander, um ein Feuer zu entzünden, dass tatsächlich das Projekt EU bis auf die Grundfesten niederbrennen könnte: Frankreichs Front Nationale-Chefin Marine Le Pen verkündete schon am Freitag, nach dem Votum der Briten komme Frankreich um ein Referendum zum Frexit nicht herum. In den Niederlanden fordert Geert Wilders schon lange ein Referendum, die FPÖ in Österreich hält einen Öxit für wahrscheinlich unumgänglich. In Deutschlands AfD ist man sich zwar nicht ganz einig, prominente Stimmen für eine Abstimmung der Deutschen über deren Verbleib in der Union werden aber auch hier laut. Und auch in der Europäischen Linken taucht - wenn auch aus anderen Beweggründen - immer wieder der Gedanke auf, das Volk nach seiner Meinung zum europäischen Integrationsprozess zu befragen, noch am Freitag schloss auch die deutsche Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht ein Referendum nicht aus. Wie aber kann es sein, dass eine so urdemokratische Handlung wie eine Volksabstimmung ein gemeinsames Projekt demokratischer Staaten, geschaffen zur Wahrung der Demokratie und zur Überwindung nationalstaatlicher Eitelkeiten, infrage stellen kann? Müssten derartige Abstimmungen sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht eigentlich grandiose Kundgebungen europäischer Einigkeit und Solidarität sein, klare Bekenntnisse zu einem im gemeinsamen Streben nach Frieden und Wohlstand geeinten Europa? Nicht nur die Zahlen aus Großbritannien - jene 51,9 Prozent aller Teilnehmenden, die sich gegen den Verbleib in der EU aussprachen - lassen ahnen, dass dem nicht so ist. Sondern dass Referenden in den Niederlanden, in Frankreich, Österreich oder auch Deutschland deutlich EU-skeptisch ausfallen könnten. Nach den aktuellen Zahlen des ZDF-Politbarometers glauben nur etwa 45 Prozent aller Deutschen, dass die EU mehr Vor- als Nachteile bringt. Und das in dem Land, das eines der Hauptprofiteure des freien Binnenhandels und des großen gemeinsamen Wirtschaftsraumes ist. Die EU, das ist eine der Lehren des Brexit, hat ein massives Imageproblem. Und nicht nur das: Es ist auch das Mittel des Ja-Nein Referendums, das eine Volksbefragung über die Zukunft der Union so unwägbar macht. Groß ist die Gefahr, das komplexe Sachverhalte von Populistenverdreht werden. Eine Beobachtung, die im Großbritannien der vergangenen Wochen häufig zu machen war. Und dennoch muss der Weg, sollte es denn noch einen gemeinsamen geben, genau in diese basisdemokratische Richtung gehen. Hört man doch von EU-Kritikern vor allem immer jenes Tot-Schlagwort vom Brüsseler Bürokratiemonster, das fern von der Bevölkerung Entscheidungen trifft, die in den Alltag jedes einzelnen eingreifen - bis hin zur angeblich arbeitsplatzbedrohenden Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Deutschland unter anderem viele dringend benötige Pflegekräften gebracht hat. Nur mehr Transparenz, weniger Lobbyismus und eine stärkere Beteiligung aller an den europäischen Entscheidungsprozessen könnten die Mär vom EU-Monster vielleicht enttarnen. Und das Image der Union verbessern, die im Unvermögen, die richtigen Antworten auf Banken-, Flüchtlings- und Wirtschaftskrise zu finden und durchzusetzen, allzu oft nur als Sündenbock dient. Vielleicht muss tatsächlich erst ein europaweiter Flächenbrand die Asche schaffen, aus der Neues entstehen kann. Oder vielleicht ist es wirklich an der Zeit, die Europäer zu fragen, wie ihre Union in Zukunft aussehen soll. Ob es eine Union sein soll oder nicht, sollte aber nicht die Frage sein. Denn was wäre die Alternative?

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