Mittelbayerische Zeitung: Nüchterne Erkenntnis
Kommentar zur SPD
Regensburg (ots)
Es war offenbar vor allem die nüchterne Einsicht in die eigene Chancenlosigkeit, die Sigmar Gabriel jetzt dazu veranlasste, für Martin Schulz Platz zu machen. Nicht der SPD-Vorsitzende wird der Herausforderer der Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel, sondern der in unzähligen Brüsseler und Straßburger Schlachten gestählte Europäer Martin Schulz. Gabriels Verzicht auf die Spitzenämter ist dabei weniger großmütig als vielmehr parteitaktisch geprägt. Würde er im September wirklich gegen eine dann möglicherweise wieder erstarkte Kanzlerin antreten, würde er vermutlich die vierte Wahlschlappe für die Genossen in Folge einfahren. Das könnte die SPD vollends in den Abgrund stürzen. Gabriel lässt nun aus einfacher, rationaler Überlegung Schulz den Vortritt, weil der nicht nur populärer, sondern auch unbelasteter von der Berliner großen Koalition Wahlkampf machen kann. Die Partei sei wichtiger als wir selbst, hatte der frühere SPD-Chef Rudolf Scharping 1995 in Mannheim gesagt, als er von Oskar Lafontaine in einer Kampfabstimmung vom Parteithron gestoßen wurde. Gabriel hat dies beherzigt und nun zumindest souverän seinen Nachfolger bestimmt.
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