Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Bund-Länder-Finanzausgleich
Regensburg (ots)
Einen solchen gesetzgeberischen Kraftakt mit allein 13 Grundgesetzänderungen bekommt offenbar nur eine große Koalition hin. Schwarz-Rot in Berlin hat zum Ende der Wahlperiode noch einmal hart gearbeitet und gleich mehrere große Steine aus dem Weg geräumt. Wahrscheinlich wird man erst im Abstand von einigen Jahren wirklich ermessen können, ob es sich um historische Reformen oder doch nur um Reförmchen handelt. Aus heutiger Sicht betrachtet, überwiegen jedoch die Vorzüge. Der Freistaat Bayern etwa ist einer der großen Profiteure des neuen Bund-Länder-Finanzausgleichs. Seit Jahren schon attackieren CSU-Politiker, nicht nur Horst Seehofer und Markus Söder, den alten Länder-Finanzausgleich wie Don Quichote die Windmühlen. Selbst eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wurde eingereicht, zusammen mit Hessen, gegen die ungerechte Geldverteilerei der Bundesländer untereinander, dem vertikalen Finanzausgleich. Und in der Tat stößt es im Freistaat zu Recht sauer auf, dass bayerische Ausgleichs-Milliarden anderswo für Erleichterung in den Landeskassen sorgen. Das mittlerweile rot-rot-grün regierte Berlin war und ist dabei die beliebteste Zielscheibe der Pfeile aus München. Der föderale Finanzausgleich zwischen den Bundesländern war über die Jahre zu einem gigantischen Umverteilmechanismus verkommen, bei dem die ärmeren Länder kaum noch Anreize hatten, die eigene Wirtschaft, die eigenen Steuereinnahmen anzukurbeln. Geld kam doch sowieso. Gerade mal vier Geberländer - Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Hamburg - löhnten für zwölf Nehmerländer. Bayern, das bis in die 60er Jahre selbst in den Genuss des Finanzausgleiches gekommen war, zahlte zuletzt pro Jahr mehr in den Ausgleichstopf ein, als es jemals daraus bekommen hatte. Insofern wurde gestern etwas ausgleichende Gerechtigkeit geschaffen beziehungsweise wiederhergestellt. Dieses fiskalische Kunststück kommt zustande, indem der bisherige Ausgleich zwischen den Bundesländern völlig abgeschafft wird. Dafür macht der Bund die Schatulle auf und überweist jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro an die Länder. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn zur Verteilung nach der Einwohnerzahl kommt etwa noch ein kompliziertes System der Zu- und Abschläge je nach der Finanzkraft des Landes. Mehr Gerechtigkeit heißt an dieser Stelle leider: Einfacher wird es nicht. Ein wenig zumindest wird nun auch jener Unsinn repariert, den die damalige Großkoalition vor elf Jahren verzapft hatte: Stichwort Kooperationsverbot. Dem Bund wurde seinerzeit völlig untersagt, sich in die Bildungspolitik der Länder einzumischen, ja auch nur einen Euro dafür zu überweisen. Längst ist dieser Anachronismus an vielen Stellen durchlöchert worden, etwa beim Bafög, das der Bund alleine zahlt. Damit ist zwar längst nicht gleiches Niveau der Schulen in Bayern einerseits oder in Nordrhein-Westfalen andererseits erreicht, doch Weichen dafür werden gestellt. Dass der Bund nicht nur mehr Geld gibt - auch an die Kommunen übrigens! -, sondern im Gegenzug zudem mehr Kontrolle über die Verwendung der Steuergelder haben will, ist eigentlich nur folgerichtig. Die neu zu schaffende Mammut-Behörde einer Bundes-Infrastruktur-Gesellschaft etwa wird den Bau und die Erhaltung von Autobahnen und Bundesstraßen endlich so beschleunigen, wie es die Verkehre des 21. Jahrhunderts erfordern. Der Bund kann aus einer Hand planen, finanzieren und bauen, wo bislang oft landespoltische Begrenztheiten und Unvermögen Stau verursachten. Alles in allem: Der neue Bund-Länder-Pakt hat viele Gewinner. Die wenigen Nörgler dürften bald verstummen.
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