Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur SPD, Autor: Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Wer rausgeht, müsse auch wieder reinkommen, hatte der legendäre SPD-Fraktionschef Herbert Wehner einst Unionsabgeordneten hinterhergerufen, die aus Protest über seine Rede den Plenarsaal in Bonn verließen. Den Rat von "Zuchtmeister" Wehner sollte heute der jetzige Vorsitzende der SPD, Martin Schulz, beherzigen. Mit seiner penetranten Ablehnung auch nur von Gesprächen zur Behebung der Regierungskrise entzieht sich Schulz mit seiner Partei jedoch staatspolitischer Verantwortung. Derzeit hat das politische Deutschland vor allem zwei große Verweigerer: Christian Lindner und Martin Schulz. Der FDP-Chef hat aus Frust über - in seinen Augen - nicht ausreichende Jamaika-Ergebnisse das mögliche Regierungsbündnis platzen lassen, bevor es überhaupt besiegelt werden konnte. Schulz wiederum zwingt die Sozialdemokratie so engstirnig auf Oppositionskurs, dass einem angst und bange werden kann. Doch nach dem schmählichen Aus für Jamaika steigt der Druck auf die SPD, sich nicht länger zu verweigern, vielleicht sogar eine erneute große Koalition mit einer nun geschwächten Kanzlerin einzugehen. Das Problem von Schulz ist, dass er einen solchen Schwenk hin zu einer Regierungsbeteiligung nicht ohne Gesichtsverlust vornehmen könnte. Dabei geht es in der jetzigen Polit-Malaise der Berliner Republik nicht um das Ansehen eines Parteichefs, sondern um die Handlungsfähigkeit des Staates, um politische Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Ob Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, einst selbst gescheiterter Kanzlerkandidat der SPD, beim heutigen Gespräch mit Schulz dessen Abkehr von der bockigen Gesprächsverweigerung wird erreichen können, steht dahin. Es wäre allerdings zu wünschen. Was es Schulz und vielen Genossen so schwer macht, ist das zweimalige Trauma, das die Partei in beiden GroKos unter Kanzlerin Angela Merkel erleiden musste. Egal, was die SPD in dieser Konstellation auch durchsetzte - und das war eine ganze Menge - es schlug sich kaum in Zustimmung der Wähler und Wählerinnen nieder. Die SPD schuftete im Maschinenraum, doch die Blumen für die Plackerei fuhr die Kanzlerin ein, die teilweise obendrein ungeniert sozialdemokratische Politik betrieb. So wie Christian Lindner die Umarmungen der Regierungschefin fürchtet, die den Liberalen bei der Wahl 2013 fast das Überleben kostete, scheut Schulz eine erneute politische Liaison mit der CDU-Vorsitzenden. Das alles mag parteipolitisch nachvollziehbar sein, doch verantwortlich gegenüber Deutschland, gegenüber den Wählern ist es nicht. Und wenn Schulz und auch Lindner nun wirklich auf Neuwahlen setzen sollten, weil sie sich davon Stimmenzuwachs erhoffen, verkennen sie den Frust in der Bevölkerung in hohem Maße. Zudem haben sich mit den geplatzten Jamaika-Sondierungen die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Als einzig wirklich tragfähige Kaolition bleibt somit nur noch das Bündnis von Union und SPD. Dass einige dagegen mit einer Minderheitsregierung Angela Merkels sympathisieren, ist eine romantische Illusion, eine Vorstufe der Unregierbarkeit des Landes. Andersherum, wenn eine Minderheitskanzlerin Merkel ständig um Stimmen der zweitgrößten Fraktion betteln müsste, könnten beide Seiten auch gleich zusammen regieren. Man kennt sich, man weiß, was man voneinander zu halten hat. Andernfalls würde spätestens bei der Vorlage des Haushalts das wacklige Gerüst einer Minderheitsregierung zusammen brechen. Schulz sollte seine Verweigerungshaltung aufgeben. Aus Verantwortung für das Land.
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