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Mittelbayerische Zeitung: Das Gift der Kröte
Die SPD wird auf den Kurs der Union eingehen, weil ihr gar nichts anderes übrig bleibt. Dieser Schwenk wird im Inneren der Partei toxische Wirkung entfalten. Von Marianne Sperb

Regensburg (ots)

Die SPD kann es zur Zeit nur falsch machen. Gehen die Sozialdemokraten auf den Kompromiss zur Migrationspolitik ein, auf den sich CDU und CSU geeinigt haben, verraten sie ihre Haltung, die sie Anfang der Woche - und zwar einstimmig - beschlossen haben. Explizit und gleich zwei Mal lehnt das SPD-Papier vom Montag "geschlossene Lager" ab. Schwenkt die SPD jetzt auf Unionskurs ein, pulverisiert sie die letzten zarten Rückgratwirbel, die Anhänger noch bei der Partei vermuten. Dennoch werden SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz die fette Kröte schlucken, die ihnen die Union heute beim Spitzengespräch in Berlin vorsetzt. "CSU-Schnapsidee!", "Transitzonen kann die CSU vergessen!" oder auch "Den sogenannten Christsozialen brennen die politischen Sicherungen durch!": Ralf Stegner, immer gut für klare Kante, ätzte Ende 2015 auf Twitter gegen Horst Seehofers Pläne für den Umgang mit der Zuwanderung. Der SPD-Vize, der damals brüllte wie ein Löwe, klingt heute kätzchenzahm. "Kampfbegriffe" seien "nicht besonders nützlich", schnurrte er am Dienstag, und: Die SPD werde die Vorschläge "in aller Ruhe prüfen". Der Schwenk des SPD-Champions der markigen Sprüche spricht Bände. Der Partei bleibt gar nichts anderes übrig, als auf Unionskurs einzuschwenken. Denn ein Nein zu den Transitzentren für Asylbewerber würde die Bodenluke zum freien Fall der SPD öffnen. CDU und CSU werden unter keinen denkbaren Umständen verzichten auf ihre unter äußerstem Aufwand errungene Einigung. Zu erbittert war dieser Zwist. Eher lassen es die Schwestern auf einen Bruch mit dem Koalitionspartner ankommen, mit dessen Vorstellungen sie sich in weiten Bereichen sowieso nur sehr fern verwandt fühlen. Die Konsequenz: Die SPD ginge als Schuldige am Scheitern der Koalition aus dem Konflikt hervor und müsste sich Wähler suchen - in einer Zeit, in der sie kein identifizierbares Profil mehr besitzt. Wo sollte die SPD diese Wähler finden? Der "kleine Mann", früher ein verlässliches Fundament der einstigen Arbeiterpartei, wünscht sich eine klare und auch schärfere Haltung in der Asylpolitik und entdeckt Sympathien für die AfD. Und die linksliberale Wählerschaft fühlt sich schon lange nicht mehr wohl in einer SPD, die - wie zuletzt bei den Koalitionsverhandlungen - den Konservativen immer wieder Zugeständnisse machen muss. Andrea Nahles und ihre Partei werden also die vermeintlich kleinere Kröte schlucken, obwohl sie um ihre toxische Wirkung wissen. Sie werden den Bruch mit dem Regierungspartner vermeiden - und dafür in Kauf nehmen, dass das Gift das eigene Lager beträufelt und zersetzt. Kevin Kühnert, der charismatische Juso-Chef, tönte gestern mit drohendem Unterton: "Ich erwarte, dass wir da nicht einknicken." Auch die Bayern-SPD mit Natascha Kohnen an der Spitze, die die GroKo von Anfang an skeptisch betrachtet hat, wird sich schwer tun, ihren Anhängern zu verklickern, wie man das Agieren der Bundespartei in der Asylpolitik denn noch gut finden soll. Profil zeigt vor allem die CSU. Während sich eine passiv-aggressiv taktierende Angela Merkel nach den Fehlern von 2015 durch Aussitzen hervortut und sich die SPD maulend, saft- und kraftlos mitschleppen lässt, beweist die CSU Haltung. Horst Seehofer kämpft als Bundesinnenminister aus, was er bereits als Ministerpräsident während des Kontrollverlusts vor drei Jahren vorgeschlagen hat, und bringt in wenigen Wochen mehr Bewegung in die Asylpolitik als die Kanzlerin und ihre CDU in Jahren. "Einigung mit der SPD auf Transitzonen gibt es nur in der Fantasie von Herrn Seehofer": Das war 2015 auch so ein Tweet von Ralf Stegner. Fantasie: Die möchte man der SPD jetzt wünschen.

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