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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Merkel/Putin: "Schwierig, aber unverzichtbar" von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Für die einen ist "Zar Wladimir" verantwortlich für viel Böses in der Welt. Für die anderen ist der Kremlchef dagegen ein Freund, lupenreiner Demokrat, seriöser Geschäftspartner, Herrscher über den größten Staat der Erde und zugleich Erfinder der "gelenkten Demokratie". Irgendwo zwischen diesen beiden Polen dürfte die deutsche Kanzlerin den russischen Präsidenten eingruppieren, den sie jetzt zum dreistündigen Gespräch in Meseberg getroffen hat. Dabei ist das Verhältnis zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin schwierig. Man kennt sich, versteht die Sprache des Gegenübers. Aber das macht es nicht leichter. Merkel als Vertreterin deutscher und europäischer Interessen und Werte traf sich mit einem knallharten Verfechter einer stolzen russischen Macht, die nach Anerkennung und verlorener Weltgeltung strebt. Aus Merkel und Putin werden gewiss keine Freunde mehr. Merkel versteht zwar die Sprache Putins, aber sie ist keine Putin-Versteherin. Doch dass die Kanzlerin den Draht zum Kremlchef aufrechterhält, ist klug und richtig. Viele Probleme sind ohne Moskau nicht zu lösen. Dies gilt umso mehr, weil der mächtigste westliche Verbündete Deutschlands und Europas - und das sind immer noch die USA - derzeit eine eher irrlichternde Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik betreibt. Angesichts von Donald Trumps wendiger Politik via Twitter wirkt Putin fast schon wie ein Garant von Stabilität. Zumindest ist der Kremlchef berechenbarer als der Chef des Weißen Hauses, der mit einer einzigen Kurznachricht die Welt zum Beben bringen kann. Die Kunst deutscher Politik besteht darin, mit diesen unterschiedlichen Partnern nicht nur irgendwie auszukommen, sondern zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten. Russland und Deutschland verbindet mehr als eine wechsel- und leidvolle Geschichte. Und die begann nicht erst bei Katharina der Großen, einer deutschen Prinzessin, die einst Russland groß machte und die Krim von den Türken eroberte. Und die endet auch nicht mit dem Vernichtungskrieg, den Hitler-Deutschland gegen die Sowjetunion führte. Berlin und Moskau haben heute eine gemeinsame Verantwortung für das, was in Europa geschieht, für die wirtschaftlichen Beziehungen, die sich trotz Sanktionen vernünftig entwickeln. Der Bau einer zweiten Gaspipeline durch die Ostsee ist vor allem von Washington, das sich um Käufer für das eigene Schiefergas sorgt, zu einem Politikum aufgebauscht worden. Wenn Moskau garantiert, dass trotz der neuen Leitung weiter Gas durch die bestehende Trasse über die Ukraine geliefert wird, könnte das die Lage entspannen. Vor allem aber wird Russland für die Beilegung von Konflikten gebraucht, etwa in der Ostukraine. Das Abkommen von Minsk hat den seltsamen Krieg dort noch nicht beenden können. Fortschritte wird es wohl nur geben, wenn Blauhelme die Einhaltung der brüchigen Waffenruhe kontrollieren können. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim muss der Westen allerdings erst einmal hinnehmen, gewissermaßen ausklammern, ohne sie freilich zu akzeptieren. Ein noch größerer Brandherd ist Syrien. Russland steht als Schutzmacht des Diktators Baschar al-Assad kurz vor einem militärischen Sieg. Gleichwohl wird Moskau nicht in der Lage sein, den Wiederaufbau des zerstörten Landes voranzubringen. Dafür braucht es den Westen. Die Krux ist, dass Europa am Aufbau Syriens großes Interesse hat, schon damit viele Kriegsflüchtlinge zurückkehren können. Andererseits dürfen europäische Hilfen nicht in den Taschen des Assad-Regimes landen. Eine schwierige Nuss für Merkel und Putin.

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