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Mittelbayerische Zeitung: Verwirrung um sinnvollen Pakt
Die Bundesregierung hat zu spät über den Migrationspakt informiert. Deshalb haben die Rechtspopulisten die Deutungshoheit übernommen. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Wenn die Tafel bereits beschrieben ist, muss der Nachfolger sie erst einmal abwischen. Jedes Schulkind, jeder Lehrer weiß das. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, hieß es früher beim Müller. Der Bundesregierung scheinen, im übertragenen Sinne, solche Binsenweisheiten fremd zu sein. Über den UN-Migrationspakt, der in zwei Wochen auf großer internationaler Bühne im marokkanischen Marrakesch unterzeichnet werden soll, wurde monatelang verhandelt. Der Entwurf des Paktes liegt den UN-Staaten bereits seit Juli vor. Es wäre also genug Zeit gewesen, um auch in der breiten Öffentlichkeit über Ziele und Hintergründe des UN-Projektes zu reden - und dies nicht nur diplomatischen Insidern zu überlassen. Doch offenbar hat es die Bundesregierung sträflich versäumt, rechtzeitig und umfassend über das Vertragspapier zu informieren. Dass nun Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker in diversen Internetforen und inzwischen auch auf Demonstrationen die Deutungshoheit über den Pakt übernahmen, hat sich die Regierung selbst zuzuschreiben. Erst vor drei Wochen diskutierte das Parlament - auf Antrag der AfD - den "Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration". Hat man im Auswärtigen Amt, im Kanzleramt oder im Bundestag wirklich geglaubt, ein solch brisantes Papier ließe sich unter der Decke halten, bloß keine schlafenden Hunde wecken? Man kann das nur als peinliches Kommunikations-Desaster bezeichnen. Die Regierung hat einem an sich sinnvollen Pakt einen Bärendienst erwiesen. In der Sache muss nun erst einmal "die Tafel abgewischt" werden. Denn immer, wenn nicht von vorn herein ordentlich informiert wird, machen sich Gerüchte, Halbwahrheiten, Fake-News breit. Eine der falschen Behauptungen, die etwa aus AfD-Kreisen lanciert wird, besagt, dass künftig jeder Migrant nach Deutschland kommen dürfe. Das ist natürlich Unsinn. Im Pakt wird zwar Zuwanderung als eine "Quelle des Wohlstands" benannt. Doch es wird ebenso deutlich zwischen regulärer und illegaler Zuwanderung unterschieden. Die reguläre Zuwanderung soll gefördert werden, was für die alternde deutsche Gesellschaft sinnvoll ist. Illegale Migration dagegen soll eingedämmt, kriminellen Schleppern soll das schmutzige Handwerk gelegt werden. Allerdings orientiert der UN-Pakt auch darauf, dass es irregulären Migranten leichter gemacht werden soll, legal im Einwanderungsland zu bleiben. Diese Debatte läuft in Deutschland allerdings bereits, wenn man auf die Diskussion um gut integrierte Kriegsflüchtlinge schaut, die Deutsch gelernt und eine Ausbildung oder Job haben, aber keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Das Stichwort heißt: Spurwechsel. Eine weitere Sorge, die von Gegnern des UN-Paktes unter das Volk gestreut und über Petitionen auch in den Bundestag getragen wird, ist die, dass künftig jeder Flüchtling in das deutsche Sozialsystem einwandern könne. Dabei heißt es im Migrationspakt nur, dass "Arbeitsmigranten aller Qualifikationen" beim Zugang zum Sozialschutz geholfen werden solle. Für Firmen, die landauf, landab händeringend nach Fachkräften suchen, kämen qualifizierte Leute doch gerade recht. Zwischen der sogenannten Erwerbsmigration einerseits und der Aufnahme von Flüchtlingen beziehungsweise politisch Verfolgten (Asyl) andererseits wird klar unterschieden. Neben dem Migrations- hat die UN auch einen Flüchtlings-Pakt erarbeitet. Woran es in der aufgeregten Debatte um den UN-Pakt aber vor allem keinen Zweifel geben darf, ist, dass Deutschland, also der Gesetzgeber Bundestag, weiterhin souverän über die Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik bestimmt. Das machen nicht die Vereinten Nationen. Im Antrag der GroKo-Fraktionen, der heute im Bundestag behandelt wird, steht deshalb richtigerweise, dass die UN-Vereinbarung keine einklagbaren Rechte und Pflichten begründet. Stimmt, kommt allerdings reichlich spät.

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