Mittelbayerische Zeitung: Passt nicht auf einen Bierdeckel
Die Reform der Grundsteuer ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Seit Freitag zeichnet sich zumindest ein Kompromissmodell ab. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Friedrich Merz, Fast-CDU-Vorsitzender und immer noch die große, heimliche Hoffnung des Unions-Wirtschaftsflügels, wollte einst die Einkommenssteuer dermaßen vereinfachen, dass die Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen würde. Aus dem flottem Vorschlag von Merz wurde bekanntlich nichts. Und die Steuerbürokratie ist seitdem eher größer geworden. Bislang galt dies jedoch nicht für den Bereich der Grundsteuer, die die Städte und Gemeinden für rund 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke kassieren. Diese Abgabe wird unaufgeregt und unverändert von den Finanzämtern erhoben. Allerdings - und das ist die Crux daran - rechnen die Ämter bis heute auf der Grundlage von völlig veralteten Grundstückswerten: im Westen aus dem Jahre 1964, damals regierte Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig Erhard. Im Osten Deutschlands sogar aus dem Jahr 1935, der Zeit des sogenannten Dritten Reiches. Mit solchen historischen Werten von anno dazumal ist allerdings heute wirklich kein Staat mehr zu machen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die uralten Grundstückswerte als verfassungswidrig einstufte, war insofern nur folgerichtig. Diese Steuer ist mit etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr zugleich die wichtigste Einnahmequelle für die Kommunen. Entsprechend brisant und folgenreich ist die Reform der Grundsteuer, um die jetzt in Berlin so heftig gerungen wird. Allerdings sitzen die Hauptbetroffenen, eben Städte und Gemeinden, gar nicht mit am Verhandlungstisch, sondern der Streit wird allein zwischen dem Bund und den Ländern ausgefochten. Das Pfund, mit dem die Kommunen allerdings wuchern können, nennt sich Hebesatz. Das bedeutet, jede Kommune kann damit die tatsächliche Höhe der Grundsteuer selbst bestimmen. Nun gab es am Freitag nach vielen politischen Kraftmeiereien im Vorfeld der Verhandlungsrunde bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz erfreulicherweise eine vorsichtige Annäherung an ein Kompromissmodell. Und das ist gut so, aber auch notwendig. Denn so langsam wird die Zeit knapp. Karlsruhe hat Bundestag und Länderkammer nur bis Ende dieses Jahres Zeit gegeben, die Steuerreform in Gesetzesform zu gießen. Die reformierte Grundsteuer soll zwar erst ab 2025 kassiert werden, doch bis dahin müssen die Behörden die Angaben für Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke neu bewerten. Eine Wahnsinnsarbeit, die geradezu nach moderner, digitaler Unterstützung ruft. Tausende neuer Mitarbeiter für die Finanzämter, nach denen jetzt von einigen gerufen wird, sind jedenfalls nicht zu bekommen - und vielleicht auch gar nicht notwendig. Für Bayerns Finanzminister Albert Füracker, der zusammen mit Baden-Württemberg und Hamburg vehement für eine einfache Neuberechnung nur nach der Fläche von Grundstücken und Gebäuden getrommelt hatte, ist das jetzige Kompromissmodell zumindest eine kleine Niederlage. Beim bayerischen Flächenmodell wäre es nämlich egal gewesen, ob es sich um ein Grundstück in bester Münchner Lage oder in einem kleinen Oberpfälzer Dorf handelt, egal ob darauf eine Villa oder eine Hundehütte steht. Allerdings hat auch Scholz sein ursprünglich favorisiertes Modell nicht durchbekommen. Der SPD-Mann wollte eine wertabhängige Neuberechnung mit allein fünf Komponenten durchsetzen. Das wäre aber ein riesiges bürokratisches Monster geworden. Schwierig wäre es ebenfalls geworden, die Umlage der Grundsteuer auf die Mieten völlig zu verhindern. Nun bekommt Scholz offenbar ein Steuermodell, dem einige bürokratische Giftzähne gezogen werden. Für Mieter und Eigentümer in gefragten Gegenden dürfte es etwas teurer werden. Keine Seite darf jedoch über Gebühr belastet werden. Ob dieses Versprechen der großen Politik eingehalten wird, haben auch die Kommunen in der Hand.
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