Die AfD zerlegt sich selbst
Landtagsfraktionschefin Ebner-Steiner spaltet. Der Blitzauftritt von Höcke im Landtag ist die jüngste Provokation der Partei. Leitartikel von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Zwei Fraktionsaustritte binnen eineinhalb Jahren, Grabenkämpfe, bodenlose Auftritte. Die AfD zerlegt sich in Bayern im Moment selbst. An der Spitze der Bewegung: Katrin Ebner-Steiner, formell noch Landtagsfraktionschefin, obwohl im Mai 12 von 20 Fraktionsmitglieder ihre Abwahl betrieben und es am Ende nur an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit scheiterte. Die Unterlegenen ziehen aber bei der Unbelehrbaren die Daumenschrauben kräftig an. Ebner-Steiner darf bei Plenarsitzungen nicht mehr vorne sitzen. Der Dienstwagen ist gestrichen. Für Maßregelungen dieser Art genügt die einfache Mehrheit. Das Arsenal ist noch nicht ausgeschöpft, wie man hört. Würde all dies in einer anderen Partei passieren: Der Pfeilehagel aus der AfD wäre sicher. Man stelle sich nur vor: Ministerpräsident Markus Söder hätte im Kabinett die Mehrheit gegen sich, wäre an den Katzentisch verbannt, nur noch qua Geschäftsordnung im Amt - und würde sich gleichzeitig gebärden, als ob ihn das alles nichts anginge. Oder die Grünen-Fraktionsdoppelspitze aus Katharina Schulze und Ludwig Hartmann turnte im Abseits munter weiter. "Abgewrackt" wäre noch das mildeste Urteil aus der AfD. Ebner-Steiner zählt zu denen, die beim Austeilen stets stark dabei sind. Nun passt das Etikett bestens auf den eigenen Laden. Mit sich selbst geht sie natürlich anders ins Gericht. Das macht sie zur Doppelmoral-Fraktionschefin. Der AfD-Konflikt im Landtag spiegelt wider, was sich ähnlich in der Bundes-AfD und anderen Parteigliederungen abspielt. Im Kern geht es darum, ob harte Rechte oder die so genannten "Gemäßigteren" die Vormacht erringen. Wobei inhaltliche Schnittmengen teils groß sind, man sich vor allem in der Radikalität und im Sprachduktus unterscheidet. Im Bund tobt gerade ohne Bandagen der Fight zwischen dem Flügel-Mann und brandenburgischen AfD-Landeschef Andreas Kalbitz und Parteichef Jörg Meuthen. In Kalbitz' Dunstkreis: der thüringische AfD-Chef Björn Höcke - der Mann, den man laut einem Gerichtsurteil offiziell "Faschist" nennen darf und der jetzt bezeichnenderweise Ebner-Steiner zu einem schäbigen Showact im Landtag zu Hilfe eilte. Höckes Limousine rollte mit thüringischer Polizeieskorte vor. Die überfallartige Mission so durchsichtig, wie es nur geht. Das Ziel: Maximale Provokation des Landtags und all der dort vertretenen Parteien, inklusive der Mehrheit der AfD-Fraktion - offensichtlich um eine Reaktion zu provozieren, die Ebner-Steiner in eine Opferrolle schlüpfen lässt. Das Manöver ging gründlich schief. Die Ehre dafür gebührt Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die Höcke kühl ins Leere laufen ließ. Plenarsaal und Besuchertribüne blieben für den Unerwünschten tabu. Dafür brauchte es keine "Lex Höcke", es genügte das Corona-Regelwerk. Ein Faschist, der unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe, sei unerwünscht, schickte die CSU-Frau als Nichtwillkommensgruß hinterher. Chapeau! Höcke posierte danach als beleidigter AfD-Posterboy vor dem Panoramafenster des Landtags, blickte vermeintlich staatsmännisch auf München hinab, verbreitete das Bild via soziale Medien. Jeder blamiert sich, so gut er kann. Bemerkenswert ist, dass der Blitzbesuch offenlegte, wie stark der Höcke-Faktor in der AfD-Fraktion ist: Er wurde im Landtag von 6 der 20 AfD-Abgeordneten flankiert. Das sind weniger als beim jüngsten Versuch der Abwahl Ebner-Steiners von der Fraktionsspitze. Sicher zählen kann sie auf zwei Oberpfälzer: Roland Magerl und Stefan Löw, nach außen nicht die Krawalligsten, sind eine Stütze des Ebner-Steiner-Systems. Beim Putschversuch vom Mai sicherten sie der AfD-Frau das Amt, begründeten das mit dem Wunsch der Weidener Parteibasis und mit mangelnden guten Alternativen. Es steckte offenkundig viel eigene Überzeugung dahinter. Fotos zeigen sie fröhlich in Höckes Mini-Begleittross. Traumwandlerisch sicher das Falsche tun - dieses Prädikat hat sich in der AfD nicht nur die Fraktionschefin verdient.
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