Demokratiefeinde im Parlament/Die AfD-Fraktion gibt die Speerspitze der Corona-Leugner. Dass sie Provokateure in den Bundestag einschleuste, darf sich das Parlament nicht bieten lassen.
Regensburg (ots)
Krawalle in Bundestagsnähe, Flaschen und Feuerwerkskörper gegen Polizisten, die wiederum mit Pfefferspray und Wasserwerfer gegen Protestierer vorgehen. Berlin erlebte vorgestern Szenen, wie wir sie zuletzt von Protesten gegen Castor-Transporte, gegen Stuttgart 21 oder gegen den Bau einer Autobahn in Hessen erleben mussten. Nach einer Phase der relativen Demonstrations-Ruhe zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr werden seit einigen Monaten öffentliche Räume zu Schauplätzen der Auseinandersetzung um Lockdown-Maßnahmen, um Einschränkungen der persönlichen Freiheit, um Hygienevorschriften, um die Schließung von Restaurants, Theatern, Fitnessstudios.Die AfD-Fraktion hat sich dabei zu einer Art Speerspitze der Corona-Leugner-Bewegung aufgeschwungen. Sie saugt Honig aus dem Frust, dem Unverständnis, ja vielleicht sogar dem Hass, den eine laute Minderheit gegen "die da oben", die Etablierten, die Politikerkaste hegt. Dabei ist es ihr gutes Grundrecht, wenn Tausende Corona-Leugner in der Nähe des Berliner Reichstages demonstrieren, um ihre Ablehnung gegen die im Parlament beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie deutlich zu machen. Man darf selbst den krudesten Verschwörungstheorien anhängen, sich einen Alu-Hut aufsetzen und Bill Gates oder Angela Merkel für alles Elend dieser Welt verantwortlich machen. All dies ist hierzulande, anders als in Diktaturen, erlaubt.Unsere Demokratie lebt zudem vom Streit, vom Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte. Im Plenarsaal, aber auch auf Straßen und Marktplätzen. Freilich setzt das Funktionieren der Demokratie auch das Bekenntnis zu und das Einhalten von Regeln voraus. Diese Grenze allerdings wurde von einigen in der AfD-Fraktion jetzt überschritten. Dass offenbar mehrere AfD-Abgeordnete - zwei davon aus Bayern - nun sogar Provokateure, als Gäste getarnt, in den Bundestag einschleusten, darf sich das Parlament keinesfalls bieten lassen. Wenn frei gewählte Parlamentarier in ihrer Arbeit bedrängt, beleidigt, genötigt werden, dann muss das spürbare Konsequenzen haben. Man stelle sich nur einmal vor, solche Einschüchterungen fänden vor Wahllokalen statt. Welcher Bürger, welche Bürgerin könnte dann noch wirklich frei seine, ihre Stimme abgeben? Nach den indiskutablen Vorgängen im Bundestag gilt erst recht: Wehret den Anfängen!Die gestrigen Erklärungen und halbherzigen Entschuldigungen von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland und Fraktions-Geschäftsführer Bernd Baumann waren peinlich und entlarvend zugleich. Es tue ihnen leid, die provokanten Besucher seien "der Kontrolle entglitten" und nein, sicherheitsrelevante Vorkommnisse habe es nicht gegeben. Dass davor bereits andere Abgeordnete, etwa von der Linken, unliebsame Gäste in den Reichstag brachten, macht den konkreten AfD-Fall nicht besser.Dabei hat die Alternative für Deutschland bereits mehrere Häutungen vollzogen. Aus Protest gegen den Euro-Rettungsschirm wurde sie vor sieben Jahren von ein paar Ökonomieprofessoren ins Leben gerufen. Doch die Gründer um den Wirtschaftsliberalen Bernd Lucke wurden bald kaltgestellt. Die Partei profitierte vom Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung. Und sie driftet immer mehr in die rechtsextreme Ecke. Der eigentlich verbotene "Flügel" von Björn Höcke und Andreas Kalbitz gewinnt mehr und mehr die Oberhand. Provokationen, wie jüngst im Bundestag, gehören zu deren Kalkül. Demokratische Institutionen sollen lächerlich gemacht, verachtet, bekämpft - und schließlich überwunden werden.
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