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Das Ischgl-Trauma wirkt nach/In den Skiorten wird es vorerst keine Normalität geben. Das wissen viele Österreicher und Schweizer - auch ohne Merkel und Söder. Leitartikel Von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Skifahren trotz Corona? Auf diese Frage gibt es kein simples Ja oder Nein. Denn Sport an der frischen Luft ist nicht gefahrengeneigt, das Drumherum samt Gondeltransport, Jause auf dem Berg und dem Anstehen vor öffentlichen Toiletten dagegen schon - wenigstens so lange die Infektionszahlen in Österreich und der Schweiz hoch sind. Das Risiko ist durch Hygienekonzepte nicht komplett zu beseitigen. Denn gute Regeln müssen ja nicht nur aufgeschrieben, sondern auch eingehalten und kontrolliert werden. Den meisten politisch Verantwortlichen in den betroffenen Ländern ist das bewusst. Niemand kann ihnen verdenken, dass sie dennoch damit hadern und sich an die Hoffnung klammern, die Saison bei einem Rückgang der Infektionen zumindest verspätet zu starten. Momentan quälen sich Österreicher und Schweizer gerade aus purer Vernunft in die Spur. Fordernde Töne aus Deutschland und Bayern wirken in dieser neuralgischen Phase kontraproduktiv. Effektiver wäre es, Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Markus Söder würden sich bei ihren Appellen auf die Bürger im eigenen Land konzentrieren. Die Corona-Gefahr schwindet mit jedem Skifahrer, der in der Pandemie nicht auf Biegen und Brechen auf Pisten drängt.Vorsicht ist in diesem Winter der wichtigste Maßstab. Denn Ischgl darf sich in keinem Skigebiet wiederholen. Für Österreich steht besonders viel auf dem Spiel. Zwar hat im Frühjahr nicht allein der Apres-Ski im Tiroler Skiort das Ausbreiten des Virus in ganz Europa befeuert, auch andernorts wurden zu lange blauäugig bis fahrlässig die Risiken ausgeblendet. Doch Ischgl ist zum Symbol dafür geworden, dass die Sicherheit von Menschen im Zweifel wirtschaftlichen Interessen geopfert wird.Merkel und Söder haben mit ihren Forderungen nach europäisch koordinierten Skiverboten einen unnötigen Schlagabtausch in Gang gesetzt. Österreich und die Schweiz verbitten sich streng die Einmischung in innere Angelegenheiten. Zur Beruhigung könnte beitragen, wenn alle Beteiligten kurz in die Schuhe des Anderen schlüpfen. Rasch wäre dann klar, dass es in der Sache nicht um Besserwisserei oder Verbohrtheit geht, sondern um Zwangslagen, die Corona diktiert.Für Österreich ist der Tourismus zentraler Pfeiler der Wirtschaft. Skifahren ist zudem ein Lebensgefühl. Die Wolfgang-Ambros-Hymne vom "Skifoan" zeugt davon. Es zu verbieten wäre ähnlich, als würde man den Bayern den Bierhahn abdrehen oder - ernsthafteres Beispiel - die deutsche Automobilindustrie zum Stopp zwingen. Es gibt ohnehin eine gewisse Allergie gegenüber Ratschlägen aus Deutschland. Ähnlich ist das in der Schweiz.Merkel und Söder geht es allerdings gar nicht ums Maßregeln. Beide sind getrieben von den weiter hohen Corona-Zahlen in Deutschland und speziell auch in Bayern. Die Lage hat sich im "Lockdown light" zwar stabilisiert, doch schnell kann wieder exponentielles Wachstum einsetzen. Es herrscht die Furcht vor einer dritten Welle samt Shutdown und neuen, nicht kalkulierbaren Folgekosten.Gemeinsamkeit quer über die Grenzen ist: Keiner will, dass die Corona-Zahlen ein drittes Mal hochschnellen. Österreich und die Schweiz entscheiden souverän, was sie tun, damit das nicht passiert. Gleiches gilt diesseits der Grenze. Immer klarer wird dabei leider: Es genügt nicht, auf die Eigenverantwortung jener Bürger zu setzen, die höchste Energie in das Finden von Schlupflöchern setzen.Das ist der Grund, warum Söder kürzlich die 24-Stunden-Regel für quarantänelose Kurzaufenthalte in Risikogebieten eingeschränkt hat. Die Grenzen bleiben offen - aber nicht für Skifahrer. Das Ischgl-Trauma sitzt tief.

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