Der Pakt mit dem Populisten
Sieben Republikaner stimmten beim Impeachment gegen Donald Trump. Dennoch ist die Bindung seiner Partei an ihn noch groß. Von Karl Doemens
Regensburg (ots)
Fünf Jahre ist es her. Da stand ein Mann mit roter Krawatte vor seinen Fans im winterlichen Iowa und brüstete sich: "Ich habe die loyalsten Anhänger. Ich könnte in der Mitte der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen und würde keine Wähler verlieren." Am Samstag nun schien es, als würde Donald Trump den ultimativen Beweis seiner Unverwundbarkeit erbringen: Fünf Wochen, nachdem die Senatoren im Kapitol in Todesangst vor einem blutrünstigen Mob fliehen mussten, der Knüppel und Trump-Fahnen bei sich trug, wurde der Ex-Präsident von jenen Politikern in ihrem Sitzungssaal freigesprochen.Man reibt sich die Augen: Zweimal nun ist der Mann vom Kongress angeklagt wurden. Und zweimal hat er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen können. Kein Wunder, dass Trump im fernen Florida nun triumphiert. Doch sollte man sich vom Siegesgeheul nicht täuschen lassen. Das Urteil des Senats ist allenfalls ein Freispruch zweiter Klasse. Immerhin sieben Vertreter der eigenen Partei stimmten gegen ihren früheren Präsidenten - so viel wie in keinem Impeachment-Verfahren zuvor. Auch dass der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell nach der Abstimmung Trump "praktisch und moralisch" für den Putschversuch verantwortlich machte, ist - bei aller Heuchelei - bemerkenswert. Dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur Sanktionierung von Trump zustandekommen würde, konnte ernsthaft niemand erwarten: Zu stark ist die Bindung vieler Senatoren an den Rechtspopulisten, zu groß die Angst, von der Trump-treuen Basis bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden.Von Anfang an hatte sich der Prozess deshalb weniger an die Senatoren, als an die amerikanische Fernsehöffentlichkeit gerichtet, der die Dimension des blutigen Sturms auf das Kapitol vom 6. Januar und die Verantwortung Trumps dafür plastisch vor Augen geführt werden sollte. Hier haben die demokratischen Ankläger eindrucksvolle Arbeit geleistet. Die verstörenden Bilder von brutalen Trump-Anhängern, die gewaltsam in die Herzkammer der Demokratie eindringen, entlarven nicht nur die rechte Erzählung von der patriotischen "Law and Order"-Bewegung als Lüge. Sie belegen auch, dass sich Trump einer schweren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig machte, als er offen zum Aufruhr aufrief und stundenlang keine Hilfe schickte.Den harten Kern der Trump-Anhänger, die sich längst in eine Parallelwelt von rechten Konspirationserzählungen und sektenhaftem Personenkult verabschiedet haben, wird das trotzdem nicht überzeugen. Diese Gruppe aber hat die republikanische Partei weiter fest im Klammergriff. McConnells Versuch, den Aufrührer gleichzeitig zu verurteilen und freizusprechen, wirkte erbärmlich. Andere Republikaner sind mutiger. Sieben von ihnen haben sich im Senat allen teilweise handfesten Drohungen zum Trotz offen gegen Trump gestellt.Derzeit kann man nicht absehen, in welche Richtung sich die Partei entwickeln wird. Klar ist nur, dass die einstmals stolze Republikanische Partei als konstruktive Kraft auf absehbare Zeit ausfällt. Die Demokraten haben daher zurecht entschieden, keine Zeugen vorzuladen und den Prozess nicht in die Länge zu ziehen. So unbefriedigend das sein mag - am Ergebnis hätten wochenlange Rechtsstreitigkeiten nichts geändert. Allerdings hätten sie die Gesetzgebung im Senat lahmgelegt. Gutes Regieren mit konkreten Politikangeboten, wie es Joe Biden gerade mit seinem Corona-Hilfspaket versucht, ist aber die einzige Chance, den fiebrigen Wahn in der amerikanischen Gesellschaft zu bekämpfen. Scheitert Biden aber und sein Vorgänger erobert tatsächlich noch einmal die politische Bühne, sieht es verdammt finster aus für die USA.
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