Ampeln blinken hell auf
Malu Dreyer und Winfried Kretschmann holten für ihre Parteien den Sieg. Die Verluste der CDU sind ein denkbar schlechter Einstieg in das Superwahljahr. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Der Südwesten erlebte gestern die ersten Landtagswahlen unter verschärften Pandemie-Sonderbedingungen, mit Maske, Abstand und verbreiteter Briefwahl. Und das auch noch als Auftakt für weitere Urnengänge im Superwahljahr. Entsprechend aufmerksam werden die Ergebnisse von Stuttgart und Mainz im Rest der Republik verfolgt. Doch während die CDU, auch von der Masken-Affäre in Berlin gebeutelt, ein Desaster erleben musste, blinken Ampeln hell auf. Die in Mainz von der SPD geführte Ampelkoalition dürfte fortgesetzt werden. Und in Stuttgart könnte eine neue, vom Grünen Winfrid Kretschmann dominierte, hinzukommen. Beide Wahlen könnten der Auftakt für größere Veränderungen der politischen Tektonik auf Bundesebene sein. Die heftigen Verluste der CDU sind zudem ein denkbar schlechter Einstieg in dieses Wahljahr für die sieggewohnte Union. Außergewöhnlich ist auch, dass die beiden Regierungschefs, in Baden-Württemberg der Grüne Winfried Kretschmann sowie in Rheinland-Pfalz die Sozialdemokratin Malu Dreyer, der Wahl eindeutig ihren Stempel aufdrücken konnten. Es war mehr eine Persönlichkeits-, denn eine Parteienwahl. Das Geheimnis für die Erfolge von Kretschmann und Dreyer ist dabei einfach: Es liegt in ihrer Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Beständigkeit - gerade in der Krise. Viele Wähler haben den Grünen und die Sozialdemokratin wegen ihrer Parteien, viele werden sie allerdings auch trotz der Grünen und der SPD gewählt haben. Der Trend setzt sich fort, dass es bei Wahlen weniger auf ellenlange und ausgefeilte Wahlprogramme ankommt, dafür umso mehr auf bekannte Köpfe, verlässliche Persönlichkeiten. Kretschmann baut die grüne Vorherrschaft im eigentlich strukturkonservativen Ländle aus. Das hat wohl 2011 noch niemand geahnt, als man den Grünen-Sieg in Baden-Württemberg noch als eine Art politischen Betriebsunfall, als Reaktion auf das Reaktorunglück in Fukushima ansah. Nun jedoch haben die weit in die politische Mitte und in das städtische Bürgertum hinein gerückten Grünen im Südwesten fast den Charakter einer Volkspartei angenommen. Und selbst sonst eher konservative, heimatverbundene Wähler machen regelmäßig bei der Umweltpartei ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel. Das Problem der Grünen besteht freilich zugleich darin, dass Kretschmann mit seinem bürgerlichen Kurs oft genug mit der Spitze seiner Partei in Berlin über Kreuz liegt. Und wenn der 72-jährige Landesvater einmal abtreten sollte, haben die Grünen nicht einen annähernd gleich guten Ersatzmann oder eine ähnlich starke Frau aufzubieten. Die Stärke Kretschmanns ist zugleich eine Schwäche der Grünen-Partei. Und, anders als manche Grüne in Berlin, denkt Kretschmann nicht im Traum an einen Stopp von Häuslebauern oder neuen Straßen. Ähnlich liegen die Dinge bei Malu Dreyer im Nachbarland Rheinland-Pfalz. Völlig gegen den langen bundesweiten, dramatischen Abwärtstrend der SPD holte die pragmatische und sympathische Landesmutter wiederum den Wahlsieg. Etwas Ähnliches ist höchstens Manuela Schwesig im Mecklenburg-Vorpommern zuzutrauen, aber nicht dem eher spröden SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz im September bei der Bundestagswahl. Haben sich viele in CDU und CSU vielleicht bereits mit dem Gedanken abgefunden, ab Herbst im Bund mit den Grünen regieren zu müssen, könnte es auch ganz anders kommen. Die Ergebnisse aus Stuttgart und Mainz deuten an, dass es auf Bundesebene ebenfalls zu einer Ampelkoalition kommen könnte. Die Nach-Merkel-Union müsste dann mit den harten Oppositionsbänken vorliebnehmen. Sehr unwahrscheinlich dass Markus Söder in Berlin den Oppositionsführer geben will.
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