WZ-Kommentar zu: Lars Klingbeil ist neuer SPD-Fraktionschef
Düsseldorf (ots)
Der, auf den es ankommt
Von Lothar Leuschen
Normalerweise wäre es eine Randnotiz, dass Lars Klingbeil am Mittwoch im Otto-Wels-Saal des Reichstagsgebäudes zum neuen Vorsitzenden der SPD-Fraktion gewählt worden ist. Aber in diesen Tagen ist nichts mehr normal, auch nicht, dass die SPD-Fraktion im Otto-Wels-Saal tagt. Der Mann, der dem Raum seinen Namen gegeben hat, war 1933 Parteichef und Abgeordneter, als die SPD nach seiner Rede als einzige dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten nicht zustimmte. Es ist blanke Häme, dass nun ausgerechnet die AfD der SPD diesen Sitzungsraum streitig machen will. Eine sich zunehmend als Nazitruppe entlarvende Fraktion fordert den Otto-Wels-Saal. Mehr Demütigung der SPD ist kaum denkbar. Auch vor diesem Hintergrund ist Lars Klingbeil in sein neues Amt gewählt worden, mit einem ehrlichen Ergebnis. So nennen Politiker das, wenn die Zahlen massiven Widerstand aus den eigenen Reihen nicht verhehlen. Die kaum mehr als 86 Prozent Zustimmung zeigen, dass Klingbeil nicht nur mit der Union um einen SPD-kompatiblen Koalitionsvertrag ringen muss, sondern auch mit der eigenen Partei um Einigkeit.
Wie schwer es einige Genossen ihrem Fraktionschef machen wollen, zeigen schon Forderungen der Jusos, die auf den Mindestlohn von 15 Euro pochen, und von Klingbeil fordern, die SPD zur linken Volkspartei zu machen. Von der anderen Seite zerrt die Union an den Sozialdemokraten, will kein Jota von ihrer Migrationspolitik abrücken und propagiert klare Kante für Wirtschaft und Wachstum. Wie Klingbeil seine SPD in diesem Kraftfeld neu ausdehnen soll, ist ein Rätsel.
Dennoch gibt es keine Alternative dazu, dass es dem 47 Jahre alten Sozialdemokraten gelingt, politisch die eierlegende Wollmilchsau zu erfinden. Schafft es die SPD nicht in eine Koalition mit der Union, drohen Neuwahl und eine AfD im Bereich von 30 Prozent und mehr. Und gelingt es ihm nicht, seine SPD wieder als Partei der leistungsbereiten Arbeitnehmer zu positionieren, droht den Sozialdemokraten die Marginalisierung. In beiden Fällen verliert nicht nur die SPD, sondern ganz Deutschland. Deshalb kommt es jetzt auf Lars Klingbeil an.
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