Weltkriegsmunition wird zum Hindernis für die Energiewende - Umweltverbände fordern Konzept zur Munitionsbergung in Nord- und Ostsee
Berlin (ots)
Mit Blick auf die geplante Sprengung von drei Seeminen nahe Borkum fordern die Umweltverbände NABU, Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) und Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) eine verbindliche Strategie zur Entsorgung von Altmunition in deutschen Gewässern. Die drei Minen wurden bei den Vorbereitungen zum Bau einer Seekabeltrasse für den Windpark "Riffgat" entdeckt, der 15 Kilometer vor Borkum entstehen soll. Beim Bau der Offshore-Windenergie-Anlagen und ihren Anschlüssen an das Energienetz rechnen die drei Verbände mit verstärkten Funden von Sprengkörpern. Bislang jedoch besteht kein Konzept, wie die Munitionsaltlasten sicher gehoben und umweltgerecht entsorgt werden können und die Belastungen für Umwelt und Gesundheit damit so gering wie möglich gehalten werden.
Nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie liegen die drei Sprengkörper in der Osterems, einer Meerenge zwischen Juist und Borkum, entlang der Kabeltrasse des geplanten Offshore-Windparks. Mindestens zwei der Minen sollen noch in dieser Woche gesprengt werden. Mit einer Unterwassersprengung gehen erhebliche Gefahren für den Nationalpark und das UNESCO-Welterbe Niedersächsisches Wattenmeer einher: Noch in mehr als zehn Kilometern Entfernung können bei Schweinswalen, Seehunden und Kegelrobben Hörschäden entstehen und in einem Radius von vier Kilometern Lungen- und Trommelfellrisse. Bereits Mitte Juni wurde nahe der Seehundbank Kachelotplate eine britische Luftmine gesprengt.
NABU, GRD und GSM befürchten aufgrund der starken Belastung deutscher Küstengewässer durch Altmunition und die Vielzahl geplanter Infrastrukturprojekte auch ein Hindernis für die Energiewende. Allein die Trasse für den Windpark "Riffgat" schneidet ein Munitionsversenkungsgebiet, in dem bis zu 2.000 Tonnen Minen sowie Torpedosprengköpfe, Bomben, Granaten und verschiedene Kleinmunition vermutet werden.
Bislang fehlt jedoch ein strategisches Konzept für den Umgang mit den gefährlichen Relikten der Weltkriege. Laut dem Ende 2011 veröffentlichten Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe liegen bis zu 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und chemische Munition in deutschen Meeresgewässern. NABU, GRD und GSM fordern daher die schnelle Einrichtung eines Runden Tisches unter Beteiligung der Umweltverbände, um das Vorgehen beim Fund von Altmunition beim Ausbau der Offshore-Windkraft festzulegen. Neben dem Einsatz technischer Schallschutzmaßnahmen, die in Schleswig-Holstein bereits erfolgreich eingesetzt werden, müssen künftig auch alternative Bergeverfahren wie Unterwasser-Robotik, Wasserstrahlschneid- und Photolyseverfahren oder mobile Detonationskammern eingesetzt und weiterentwickelt werden, um die Meeresumwelt ausreichend zu schützen.
Auch der kürzlich vorgelegte Offshore-Netzplan des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie muss nach Meinung der Umweltverbände eine grundsätzliche Regelung zur Bergung von Altmunition enthalten. Bund und Länder müssen dazu die mit Munition verunreinigten Gebiete in Nord- und Ostsee zunächst kartieren und eine entsprechende Risikoanalyse erstellen. Mittelfristig muss grundsätzlich auf Sprengungen unter Wasser verzichtet werden, da diese mit frei werdenden giftigen Substanzen die Meeresumwelt schädigen und ihre Schockwellen Meerestiere gefährden. Bei lärmintensiven Bauarbeiten im Meer gilt in Deutschland ein Grenzwert. Aus Naturschutzsicht muss dieser generell, also auch bei Sprengung von Munition entlang der Kabeltrassen eingehalten werden.
Um auf die Gefahren von Munition im Meer hinzuweisen und weltweit eingesetzte Bergeverfahren in Deutschland bekannt zu machen, haben NABU, GRD und GSM im Jahr 2010 die MIREMAR-Konferenz in Neumünster organisiert. Die Ergebnisse der Konferenz und die Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Munition im Meer" finden sich unter: www.miremar.de.
Pressekontakt:
Sven Koschinski, Diplom-Biologe, Tel. 04526-381716
Dr. Kim Cornelius Detloff, NABU-Referent für Meeresschutz, Tel.
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