Ohrfeige für den Lottoblock: Bundesgerichtshof veröffentlicht Entscheidungsbegründung - Bundeskartellamt in allen wesentlichen Punkten bestätigt
Hamburg (ots)
- Lottogesellschaften müssen sich dem Wettbewerbsrecht stellen - Terrestrischer Vertrieb gewerblicher Lottovermittler unterliegt keinen ordnungsrechtlichen Bedenken - Boykott gewerblicher Lottovermittler unzulässig Der Bundesgerichtshof hat gestern ausführlich auf 58 Seiten seinen Beschluss vom 14. August 2008 in der Kartellverwaltungssache gegen die Lottogesellschaften begründet und darin das Bundeskartellamt inhaltlich nahezu ausnahmslos bestätigt. Der BGH greift mehrfach den im neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) manifestierten Erlaubnisvorbehalt auf und grenzt in diesem Zusammenhang den Ermessensspielraum der Bundesländer in erheblichem Maße ein. An der Zulässigkeit der gewerblichen Spielvermittlung im terrestrischen Vertrieb, auch nach neuer Rechtslage, hat der BGH dabei keinen Zweifel gelassen. Er bestätigt damit eindrucksvoll die Einschätzungen des Bundeskartellamts.
Die Entgegennahme von Spieltipps aus dem terrestrischen Vertrieb außerhalb der Lottoannahmestellen dürfen die Lottogesellschaften nicht verweigern. Dazu der BGH in seiner Begründung: "Der Vertriebsweg terrestrische Spielvermittlung verstößt als solcher nicht gegen Ordnungsrecht. Dafür spricht schon, dass die große Zahl von Lotterieannahmestellen der Lottogesellschaften von keiner Seite als ordnungswidrig beanstandet wird. Dementsprechend kann ein Ordnungsrechtsverstoß, der ausschließlich damit begründet wird, dass eine Vermittlung auf terrestrischem Weg erfolgt, von keiner Behörde und keinem Gericht festgestellt werden." Die Annahmestellen des Lottoblocks stehen damit auch zukünftig im Wettbewerb mit den Annahmestellen beispielsweise in Drogeriemärkten.
Der BGH stellt zwar fest, dass eine Lottogesellschaft die Zusammenarbeit mit gewerblichen Spielvermittlern verweigern darf, setzt der Ablehnung einer Erlaubniserteilung jedoch enge Grenzen. Eine Ablehnung mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung oder aus fiskalischen Gründen ist demnach unzulässig. Der entsprechenden, missbräuchlichen Verwaltungspraxis der Bundesländer in den ersten acht Monaten unter dem GlüStV ist damit die Grundlage entzogen. Der BGH weist ferner daraufhin, dass gegen die Verweigerung der Erlaubnis "verfassungs- oder europarechtliche Bedenken vor den Verwaltungsgerichten geltend" gemacht werden können.
Ebenso sehe der GlüStV keine Beschränkung der Vertriebsterritorien der Lottogesellschaften vor. Die Entscheidung der Lottogesellschaften darüber, ob sie ihr Vertriebsgebiet in ein anderes Bundesland ausdehnen, müsse autonom gefällt werden. Die Erlaubnisanträge der Lottogesellschaften in anderen Bundesländern dürfen nicht aus fiskalischen oder aus wettbewerblichen Gründen versagt werden, so der BGH. Zukünftige Erlaubnisverfahren der Länder werden von den Verwaltungsgerichten und dem Bundeskartellamt genauestens auf den nahe liegenden Missbrauch des Ordnungsrechts hin überprüft werden können.
Für die gewerblichen Spielvermittler haben diese Feststellungen erhebliche Bedeutung. Die Lotterieaufsichtsbehörden der Länder haben die Erlaubnisse zur Internet-Vermittlung von Lotterien für das Jahr 2008 jeweils auf die Vermittlung zur eigenen Landeslotteriegesellschaft beschränkt. Sie bezweckten damit, die Wirkungen des Regionalisierungsstaatsvertrages fortzuführen, dessen Anwendung der BGH nun letztinstanzlich verboten hat. Diese Praxis hat allein fiskalische und wettbewerbsbeschränkende Gründe, denn an welche staatliche Lottogesellschaft Spielscheine vermittelt werden, ist für die Belange des Jugendschutzes und der Suchtprävention irrelevant. Dem eklatanten Missbrauch der "Lotteriehoheit" durch die Behörden der Länder hat der BGH nun einen klaren Riegel vorgeschoben.
"Der Beschluss des BGH ist eindeutig und eine Ohrfeige für die staatlichen Lottogesellschaften", so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. "Der Glücksspielstaatsvertrag, der einzig und allein dem Ausbau eines Vertriebsmonopols dient, kommt den DLTB teuer zu stehen. Schadensersatzforderungen gewerblicher Spielvermittler in mehrstelliger Millionenhöhe haben durch die Entscheidung des BGH eine eindeutige Grundlage erhalten."
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