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WAZ: Wir reden über Kinder - Entsetzen, und Hoffnung - Leitartikel von Gudrun Norbisrath

Essen (ots)

An einem Tag wie heute über eine Kinderoper zu
reden, ist nicht leicht. Die andere Nachricht, die furchtbare 
Geschichte von den toten Kindern im Gefrierschrank, schiebt sich 
lähmend über das Ereignis, das eine bessere Welt, jedenfalls eine 
schönere verspricht. An einem Tag wie heute kann man sich nur bedingt
über ein neues kulturelles Angebot freuen.
Das Böse - oder das, was wir in unserer Ratlosigkeit so nennen - 
ist überall. Ständig geschehen Taten, die schockieren, wenn sie 
entdeckt werden; von vielen wird man nie erfahren, wie es dazu kam. 
Einfache Antworten gibt es nicht. Wer Kinder tötet oder versteckt, 
muss nicht arm, verwahrlost oder verrückt sein; vielleicht ist er im 
Alltag freundlich, hilfsbereit, ordentlich und pünktlich. Vielleicht 
geht er gern in die Oper. Kultur schützt leider nicht vor allem 
Schlechten, auch nicht vor Verbrechen.
Sie hilft aber, denn sie hat mit Bildung zu tun, und das ist das 
einzige bekannte Mittel gegen das gesellschaftliche Gift von Rohheit,
Hilflosigkeit, Gleichgültigkeit und Brutalität. Bildung schärft den 
Verstand, öffnet den Blick und kann zur Menschlichkeit führen, wenn 
man sich darauf einlässt.
An einem Tag wie heute stoßen die beiden Welten allerdings 
besonders hart aufeinander: die heitere, leichte, und die drückend 
schwere. Wieder einmal wird erschütternd klar, dass es Kinder gibt, 
denen es furchtbar schlecht ergeht und andere, die Privilegien 
genießen. Auch das Privileg, früh die Kunst zu entdecken.
Denn ein Privileg ist es. Dass es oft mit Häme kommentiert wird, 
hat viel mit Unwissenheit zu tun: als wäre Kunst etwas für feine 
Leute, abgehobene Leute; etwas, womit handfeste Menschen nichts 
anfangen können und wollen. Das Privileg besteht aber darin zu 
wissen, dass es ernstliche Hindernisse nicht gibt und dass, zum 
Beispiel, Kinder im neuen Dortmunder Opernhaus ganze 5, 50 Euro für 
ein Ticket bezahlen. Dafür bekommen sie viel Spaß, und sie können 
lernen, dass man keine Angst haben muss vor der Kunst, auch wenn man 
sie mal nicht gleich versteht.
An einem Tag wie heute denkt man trotzdem zwiespältig an die 
Kunst: weil es gleichzeitig soviel Entsetzen gibt. So ist die Welt 
aber, die Blumen blühen weiter. Wenn man diesen Konflikt aushält und 
weder das Böse noch das Schöne hinnimmt wie das Wetter, dann kann man
Hoffnung spüren: dass trotz allem etwas zu ändern ist. Wahrscheinlich
nicht durch die Oper. Oder vielleicht doch, ein bisschen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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