Phoenix
Programmhinweis
Freitag, 1. Juni 2001
Bonn (ots)
21.00 Uhr PHOENIX - vis-à-vis: Martin Schulze im Gespräch mit Peter Ensikat
"Hat es die DDR überhaupt gegeben?", fragte ausgerechnet einer von "drüben". Mit seiner ironischen Frage hat der Kabarettist und Autor Peter Ensikat jedoch vielleicht genau den Nerv zum Stand der deutschen Frage getroffen: Schließlich sei es ein Menschenrecht, selbst zu bestimmen, an welche Vergangenheit man sich erinnern möchte.
Ensikat gehört zu den populärsten Autoren, Regisseuren, Schauspielern, Kabarettisten und Querdenkern hierzulande. Er gehört zu den wenigen Ostdeutschen, die sich nach '89 zu Sprechern, Repräsentanten, Stellvertretern östlicher Meinung und Befindlichkeit entwickelten. Ensikat wurde 1941 in Finsterwalde (Brandenburg) geboren. Nach einem Studium an der Theaterhochschule in Leipzig stand er 13 Jahre selbst auf der Bühne. Bekannt wurde er durch seine intelligenten Märchenadaptionen, mit denen er die Kindertheater eroberte und zum meistgespielten Autor der DDR wurde. Seine Stücke erlebten bisher über 170 Inszenierungen und werden weltweit gespielt. Seine wahre Berufung ist aber das Kabarett. Als Autor arbeitete er für die Kabaretts in Leipzig, Dresden, Gera und Berlin. Seit 1990 ist er Chef der "Distel" und deren Hausautor und Regisseur. Ensikat stellt sich dem Boom von Stand-up comedians mit literarischen, durchdachten Texten und richtet sich gegen die Vergesslichen, Unbelehrbaren, die Alleskönner, Besserwisser.
8.15 Uhr Der Offizier Freiwillig zum Balkan-Einsatz
Wolf von Marschall, 38 Jahre alt, erfolgreicher Landwirt in Thüringen, hat vier kleine Kinder und ist glücklich verheiratet. Was hat diesen Mann dazu getrieben, seine Familie zu verlassen und als Freiwilliger für sechs Monate zu einem gefahrvollen Bundeswehreinsatz ins Kosovo zu gehen?
Seine Frau Wiebke hat gar nicht erst versucht, ihn davon abzuhalten. Sie hofft nur darauf, dass er einmal heil zurückkommt. "Das frischt die Ehe ja auch auf, habe ich mir sagen lassen", hat sie sich vor der Trennung beruhigt. Aber ob sie mit dem großen Hof ohne ihren Mann zurechtkommen wird, auch wenn ihr ein Verwalter zur Seite steht? Marie-Luisa, die Älteste, lässt sich nicht leicht beruhigen. Mit ihren acht Jahren ahnt sie schon, was da draußen passieren kann: "Ich habe Angst um Papi, wenn er auf eine Mine tritt und sich verletzt, oder wenn er stirbt." Und der kleine Wolf, sieben Jahre alt, hat nur noch einen großen Wunsch: "Ich wünsche mir, dass er mit den bösen Soldaten Frieden schließt."
Wolf von Marschall kennt die Sorgen seiner Familie, doch jetzt, da die Bundeswehr fähige Männer für den Kosovo-Einsatz braucht, fühlt er sich gerufen. Als Hauptmann der Reserve wird er im Krisengebiet Lageoffizier in der Operativen Planungszentrale, verantwortlich für die Koordination der Aufklärungs- und Patrouillenzüge. Ein entbehrungsreiches und nicht selten gefährliches Leben in Extremsituationen. Dass sich der Konflikt dort schnell beenden lässt, glaubt er zwar nicht. "Aber", macht er sich Hoffnungen, "vielleicht hat man eine Chance, den Kindern dort eine Zukunft zu gestalten". An seine eigenen Kinder erinnern derweil nur die Familienfotos an der Zeltwand. Kurze Kontakte gibt es gelegentlich per Satellitentelefon. Zu Hause lernt der kleine Franz inzwischen laufen, und Julius, gerade vier, dreht seine ersten Runden auf dem Fahrrad. Der Mutter wird jetzt das Herz manchmal schwer, weil sie die Freude über alle die großen und kleinen Entwicklungen der Kinder nicht mit ihrem Mann teilen kann. Dafür ist sie viel selbständiger geworden. Wiebke von Marschall hat gelernt, Trecker zu fahren, und Entscheidungen, für die früher ihr Mann zuständig war, trifft sie inzwischen alleine. Doch manchmal stellt sich die Angst ein, wie bei einer beunruhigenden Fernsehmeldung im Frühjahr.
Auf der Brücke von Mitrovica gab es blutige Straßenschlachten zwischen Serben und Albanern. KFOR-Einheiten, darunter deutsche Soldaten, versuchten, die verfeindeten Volksgruppen zu trennen. Es gab Verletzte. Nach einer Zeit der Ungewissheit endlich ein Anruf ihres Mannes über Satellitentelefon: Er war nicht darunter. Auf dem Balkan hat sich die militärische Lage verschärft. Wolf von Marschall hat einige Hoffnungen begraben: "Es gibt Momente, wo ich so ein bisschen an der Aufgabe verzweifle." Und er fragt sich ab und zu, ob es das wert war - die lange Trennung von seiner Familie.
Nach 183 Tagen im Bundeswehr-Tarnanzug kehrt Wolf von Marschall in die Heimat zurück. Endlich kann er seine Frau und seine vier kleinen Kinder in Thüringen wieder in die Arme schließen. Er wird es nicht leicht haben, sich neu in der Familie einzuleben. Erkennen ihn seine Kinder überhaupt wieder? Er hat sich sehr verändert in diesem halben Jahr. Und er hat neue Vorsätze: "Ich habe mir vorgenommen, das Leben meiner Familie mehr in den Vordergrund zu stellen und meinen beruflichen Zeitaufwand zu reduzieren." Er möchte bewusster die vielen Entwicklungsschritte seiner vier Kinder mitbekommen. Und seine Frau? Sie ist auch nicht mehr ganz dieselbe. Viel selbstbewusster ist sie geworden, will sich auch weiterhin um die Belange des Betriebes kümmern. Und sie weiß genau, was wäre, wenn ihr Mann wieder einmal auf den Gedanken käme, sich zu einem Auslandseinsatz der Bundeswehr zu melden: "Nein, das würde ich nicht mitmachen!"
Film von Bertram von Boxberg (2000)
Zeitgeschichte 19.15 Uhr Protestgeneration Um 13 Uhr am Bertoldsbrunnen Februar '68: Das Ende der Freiburger Idylle
Freiburg wurde am 1. Februar 1968 aus seiner beschaulichen Ruhe aufgeschreckt: Schüler und Studenten demonstrierten gegen die vom Gemeinderat beschlossenen Fahrpreiserhöhungen bei Bus und Straßenbahn. Sie blockierten die zentrale Kreuzung am Bertoldsbrunnen, täglich ab 13 Uhr, eine Woche lang. Aus einem Sitzstreik entwickelten sich Straßenschlachten. Zum erstenmal wurden in Baden-Württemberg Wasserwerfer eingesetzt.
Der Autor Peter Adler hat die Demonstrationen als Soziologie-Student im ersten Semester erlebt - zunächst als neugieriger Zuschauer passiv, dann als aktiver Teilnehmer. Wie durch die Reaktion der Autoritäten auf den Protest der Jugend auch in Provinzstädten politisches Bewußtsein entstand, das rekonstruiert der Autor durch Gespräche mit Beteiligten: Dem Bürgermeister, dem Gewerkschafter, dem Polizeipräsidenten, Demonstranten. Sie alle äußern sich aus ihrer Sicht, kontrovers und so engagiert, als gehe es um ein aktuelles Ereignis. Angereichert wird die Dokumentation durch bisher noch nie gezeigtes Archivmaterial von Beginn der Studentenunruhen, die , wenn auch nicht so spektakulär wie in den Zentren Frankfurt und Berlin, die politische Landschaft nachhaltig beeinflußt haben.
Film von Peter Adler (1988)
Highlights zur Geschichte und Zeitgeschichte 20.15 Uhr China im Herzen Maos Botschafter zwischen heute und gestern
Der Film erzählt die Biografie des 73-jährigen chinesischen Intellektuellen Zhou Chun, der Fremdherrschaft und Krieg, Revolution und Arbeitslager mitgemacht hat, der Mao verehrte, aber als Konterrevolutionär geschmäht und gequält wurde, der aber nie die Liebe zu seinem Land und seinen Landsleuten verloren hat. In Berlin ist er zufällig hängen geblieben. Als 1989 das Massaker auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens geschah, konnte er nicht nach China zurück kehren. Seitdem hält er sich mit Vorträgen über chinesische Kultur und Geschichte über Wasser, arbeitet als Journalist und gibt Kurse an der Volkshochschule. Durch seine Arbeit Interesse für China zu wecken - diesem Ziel gilt sein ganzes Streben. Seit 1992 ist Zhou Chun mit einer Deutschen verheiratet. Mit ihr besuchte er im Frühjahr 2000 zum ersten Mal nach vielen Jahren Shanghai.
Film von Juliane Schuhler (2000)
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