Phoenix-Programmhinweis
Sonntag, 3. November, 11 Uhr
"Wir sind
kein heidnisches Land"
Metropolit Kirill zu Religion und
Gesellschaft in Russland
Bonn (ots)
Der Erzbischof, der als einer der "Chefideologe" der russisch-orthodoxen Kirche gilt und als Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats die Beziehungen zu allen christlichen Kirchen pflegt, äußerte sich in einem Exclusiv-Interview mit ZDF-Redakteur Werner Kaltefleiter überraschend offen und kritisch.
Vorab eine Kurzfassung des Interviews.
Frage zu den Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Patriarchat: wie ist der gegenwärtige Stand in den Beziehungen zwischen Rom und Moskau?
Antwort: Leider ist das Niveau der Beziehungen sehr schlecht.
Frage: Ist es eisig?
Antwort: Ja, es ist sehr schlecht. Wir haben ein niedriges Niveau der Beziehungen. Wenn man von einer Blütezeit unserer Beziehungen spricht, so fielsie - wie merkwürdig dies auch sein mag - auf die Sowjetzeit. Die Russisch-Orthodoxe Kirche war die erste, die reagierte und auf Einladung derrömisch-katholischen Kirche ihre Vertreter zur 2. Vatikanischen Vollversammlung entsandt hatte. Ab dann begannen sich unsere Beziehungenpositiv zu entwickeln.
Dann aber kam es zu einer sehr negativen Entwicklung im Westen derUkraine. Die vom Wesen her völlig legitime Legalisierung der griechisch-katholischen Kirche, die die russisch-orthodoxe Kirche unterstützte, wurde zu einer Tragödie für die orthodoxen Gemeinden, die aus ihren Gotteshäusern vertrieben wurden. Ihnen war alles genommen worden, was sie besaßen.
Frage nach der Visa-Verweigerung für katholische Geistliche, zu den aktuellen Problemen für die katholische Kirche in Russland. Hat die russisch-orthodoxe Kirche gegen die Maßnahmen Stellung bezogen?
Antwort: Was die Visa-Schwierigkeiten angeht, die sich ergeben hatten, so ist völlig offensichtlich, dass dies die Handlungen der Behörden sind, der weltlichen Behörden. Die Kirche hat damit nichts zu tun. Doch für uns sind all diese Verdächtigungen und sogar Vorwürfe, die an die Adresseder russischen Kirche in diesem Zusammenhang laut geworden waren, sehr beleidigend. Dass angeblich hinter dem Visa-Problem die Kirche stehe. Wir weisen dies kategorisch zurück. Kategorisch. Ich bedauere all diese Erklärungen der Deutschen Bischofskonferenz. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Erklärungen auf einem Mangel an Informationen beruhen. Und ich laste all dies den Quellen der katholischen Informationen an, die es in Russland gibt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Handlungen, die Rom zur Bildung der vier Diozösen unternommen hat, und viele andere Handlungen auf einer völlig falschen Analyse und auf nicht richtigen Informationen, die Rom aus unseren hiesigen russischen Katholikenkreisen zugeleitet worden waren, beruhten. Jedes Land hat seine Tradition, jedes Land hat seine Prinzipien. Und wenn man auf dessen Territorium agiert, muß man dies achten. Muss man die Tradition und die Prinzipien achten. Wir bemühen uns, bei der Arbeit in Deutschland die deutschen Gesetze und die Traditionen und die Bräuche zu achten.
Wir bemühen uns nicht, das deutsche Volk zu christianisieren. Leider spielt sich in Russland alles umgekehrt ab. Dutzende Nonnen- und Missionarsorden arbeiten heute in Moskau. Wozu arbeiten sie hier? Sie sind doch in ein christliches Land gekommen. Sie kommen in die Dörfer und verteilen Hilfsgüter im Austausch für die konfessionelle Zugehörigkeit. Doch wir sehen das Problem des Proselytismus (Abwerbung von Andersgläubigen) tiefgreifender. Die Leute kommen aus dem Ausland und missionieren unter dem russisch-orthodoxen Volk, das sich zu 83 Prozent zur russisch-orthodoxen Kirche bekennt. Diese Art Mission einer anderen, einer importierten Konfession ist für uns Proselytismus. Dies ist doch kein heidnisches Land. Sie aber arbeiten hier, damit die russischen Menschen zu Katholiken werden. Wir sagen ihnen aber: Brüder, ihr macht einen Fehler. In unserer Zeit muss man arbeiten, nicht dass irgendwer zu einem Katholiken oder zu einem orthodoxen Christen wird, sondern damit wir gemeinsam die christlichen Werte im Leben unseres Volkes bewahren können.
Das vollständige Gespräch ist Bestandteil der Dokumentation "Wir sind kein heidnisches Land" von Werner Kaltfleiter, die PHOENIX am 3. November, um 11 Uhr, erstausstrahlt.
Rückfragen: PHOENIX Kommunikation, Regina Breetzke, Telefon 0228/9584 193, Fax 0228/9584 198
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