Ambulante Pflege in der Krise
ASB warnt: Ambulante Versorgung bald nicht mehr gewährleistet. Einführung der DRG könnte zum Kollaps führen
Köln (ots)
Die Fallpauschalen (DRG) werden vermutlich zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer im Krankenhaus führen. Dadurch könnte eine Versorgungslücke in der Pflege von älteren Menschen entstehen. Das ist die Befürchtung der Teilnehmer der ASB-Fachtagung zur Einführung der Fallpauschalen in den Krankenhäusern und deren Auswirkungen auf die Ambulante Pflege, die der ASB gestern in Hürth veranstaltete.
Wenn zukünftig z.B. ältere, allein lebende Menschen nach einer Oberschenkelfraktur frühzeitig nach Hause entlassen werden, benötigen sie verstärkt Pflege und hauswirtschaftliche Hilfe durch ambulante Pflegedienste. Die Finanzierung des zusätzlichen Versorgungsbedarfs durch die Kranken- bzw. Pflegekasse ist aber noch nicht in Sicht. Die Leistungsfähigkeit der Pflegedienste hat bei der derzeitigen Finanzierung jedoch ihre Grenze erreicht.
In Deutschland werden ca. 1.261.000 Menschen ambulant gepflegt. Viele von ihnen benötigen die Hilfe eines Pflegedienstes, etwa weil ihre Angehörigen berufstätig sind oder weil sie alleine leben. Bereits heute ist es den Pflegediensten nur mit großer Anstrengung möglich, diese Menschen zufriedenstellend zu versorgen. Trotz gestiegener Qualitäts-ansprüche und hoher Bürokratieanforderungen an die Leistungen der Pflegedienste haben die Kranken- und Pflegekassen im Bereich der Ambulanten Pflege die Leistungsvergütungen in der Regel seit Jahren nicht mehr angehoben und teilweise sogar abgesenkt. Die Krankenkassen nutzen ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Pflegediensten. Obwohl die Pflegedienste einen gesetzlichen Anspruch auf leistungsgerechte Vergütungen haben, werden die Preise nach Basarmentalität verhandelt.
In Nordrhein-Westfalen z.B. steht durchschnittlich eine Vergütung von höchstens 25 Euro pro Einsatzstunde und eine Einsatzpauschale von 1,53 Euro, die maximal zweimal täglich abgerechnet werden kann, zur Verfügung. Vergleicht man dies mit dem durchschnittlichen Preis von ca. 45 Euro, den man für eine Elektrikerstunde bezahlen muss, dann wird klar, dass die Pflegedienste auch bei optimaler Planung kaum kostendeckend arbeiten können. Dabei sind die Anforderungen an Flexibilität und Organisationsfähigkeit in der Pflege besonders hoch. Zum einen will man den individuellen Anforderungen der Kunden an die pflegerische Versorgung gerecht werden (Pünktlichkeit, Kontinuität, Anpassung an Lebensgewohnheiten), zum anderen steigt der bürokratische Aufwand in der Pflege ständig (Qualitätsmanagement, Genehmigung von Verordnungen, Qualitätsprüfungen, Leistungs- und Qualitätsnachweise).
Unbefriedigend ist auch, dass viele Hilfsbedürftige wie z.B. Menschen mit Demenz bei der Einstufung oft leer ausgehen und dass im ohnehin gedeckelten Leistungskatalog der Pflege- und Krankenkassen die individuellen Wünsche der älteren Menschen, die ihnen ein lebenswertes Leben in der häuslichen Umgebung ermöglichen, nicht ausreichend berücksichtigt sind. Hierzu gehört beispielsweise das kleine Schwätzchen beim Tee, der Spaziergang im Garten, der Besuch des Friedhofs oder die vielen kleinen organisatorischen Dinge (Briefe einwerfen, Medikamente besorgen, Mülleimer leeren), die täglich anfallen können. Angehörige oder Nachbarn können diese Leistungen oft nicht in dem Umfang erbringen, wie sie erforderlich wären. Haben die Pflegedienste bisher viele dieser Kleinigkeiten kostenlos erledigt, so wird dies zukünftig aufgrund der ständig steigenden Anforderungen an die Pflege nicht mehr möglich sein. Die Pflegedienste sind am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Immer öfter werden auch von den Ärzten verordnete Leistungen der medizinischen Versorgung (z.B. Medikamentengabe, Einreibungen) von den Krankenkassen nicht mehr genehmigt.
Der ASB vermutet daher, dass in Zukunft auch im Bereich der Ambulanten Pflege eine zufrieden stellende Versorgung nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Versicherten in die eigene Tasche greifen. Wem dies nicht möglich ist, bleibt nur der Umzug in ein Pflegeheim. Der Grundsatz der Pflegeversicherung, Pflegebedürftige so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung zu betreuen, hat sich damit wohl endgültig verabschiedet.
Der ASB fordert deshalb radikale Reformen in der Ambulanten Pflege: Die Finanzierung der Ambulanten Pflege muss auf eine solide Grundlage gestellt werden (das Umlageverfahren hat sich bereits in der Rentenversicherung nicht bewährt). Älteren hilfsbedürftigen Menschen muss durch eine ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung die Möglichkeit erhalten bleiben, in Würde in ihren eigenen vier Wänden zu leben. Die teure bürokratische Kontrolle durch Pflege- und Krankenkassen (Qualitätsprüfungen, Leistungs- und Qualitätsnachweise, Qualifikationsanforderungen, Vergütungs-verhandlungen) muss auf ein Minimum (Versorgungsverträge, anlassbezogene Kontrollen) beschränkt werden. Nur in einem freien Wettbewerb mit einem internen Qualitätsmanagement, offener Preisgestaltung und von den Pflegebedürftigen frei wählbaren Leistungen wird sich langfristig eine gute Pflegequalität, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, durchsetzen können.
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