Ostsee-Zeitung: Schorlemmer warnt vor einer Dämonisierung der DDR
Rostock (ots)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Hiermit übermitteln wir Ihnen eine Vorabmeldung der Ostsee-Zeitung, in der sich der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer kritisch in die Debatte zum Unrechtsstaat DDR einschaltet. Er wirft u.a. der Bundeskanzlerin, die auf dem Begriff Unrechtsstaat besteht, vor, sie rücke die DDR in die Nähe zum Nazi-System.
Schorlemmer warnt vor einer Dämonisierung der DDR/ Der Begriff Unrechtsstaat werde der DDR "nicht gerecht"/ Kritik an einstigen DDR-Bürgerrechtlern, die zu "unerbittlichen Bürgerrächern" geworden seien, die nur noch auf die DDR starren, statt auch über heutiges Unrecht zu reden.
Rostock. Der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer hat sich kritisch in die Debatte um den Unrechtsstaat DDR eingeschaltet und vor einer totalen Dämonisierung der DDR gewarnt. Er kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf dem umstrittenen Begriff "Unrechtsstaat" besteht. Doch mit diesem Begriff werde man dem wirklichen Leben im untergegangenen "Staat der Arbeiter und Mauern" nicht gerecht, sagte Schorlemmer der in Rostock erscheinenden Ostsee-Zeitung (Mittwoch). Er warf Merkel vor, mit dem Begriff rücke sie die DDR in die Nähe zum Nazi-System. "Das ist verlogen und hat offenbar mehr mit dem Wahlkampf gegen die Linke zu tun als mit wirklichem Erleben", sagte Schorlemmer. Es ärgere ihn, wenn Merkel auf das Aburteilen der DDR bestehe und auf jene Differenzierungen verzichte, die der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Ernst Sellering (SPD) zu Recht einfordere. "Es gab in der DDR die rhetorische und im Grunde unsinnige Frage: Bist du für den Frieden, Ja oder Nein? Der Tanz um den Begriff Unrechtsstaat heute folgt diesem Muster", erklärte Schorlemmer. Er warnte zugleich davor, "die DDR in Gänze zu dämonisieren, weil genau das die Gegenreaktion der Verklärung hervorruft. Schwarzfärben führt zum Schönfärben." Es habe in der DDR "wahres Leben im falschen System, aufrechtes Leben inmitten gebückter Gehorsamkeit" gegeben. Es gab auch "große Kunst, Theater, Literatur, Malerei - und immer wieder Auf- und Ausbrüche aus der Enge. Das darf heute nicht ausgegrenzt werden, wie etwa in der Ausstellung im Gropiusbau in Berlin", kritisierte Schorlemmer.
Er bezeichnete die DDR als "ein von der SED verordnetes Paradies mit Austrittsverbot, einen totalen Versorgungsstaat mit einer Zielutopie, für die selbst Mittel Recht waren, die grobes Unrecht darstellten". Der selbst von der Stasi verfolgte Schorlemmer räumte ein, man muss das Unrecht, das es in der DDR gab, auch Unrecht nennen. Die Opfer der DDR-Repression brauchten Beachtung, Fürsorge und Entschädigung.
Über ehemalige Mitstreiter aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung sagte Schorlemmer: "Ich ärgere mich furchtbar darüber, dass einstige Bürgerrechtler in der DDR bisweilen zu unerbittlichen Bürgerrächern geworden sind, die nur noch auf die untergegangene DDR starren, statt auch über heutiges Unrecht... zu reden." Schorlemmer wird am kommenden Samstag (16.5. 2009) 65 Jahre alt.
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