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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Bielefeld. In die von der Energiekrise angeheizte Debatte um die Atomkraft, hat sich jetzt auch SPD-Chef Kurt Beck eingeschaltet.

Bielefeld (ots)

"Notfalls wieder mit Großer Koalition"
INTERVIEW SPD-Vorsitzender Kurt Beck
Herr Beck, macht Ihnen die Aufgabe als SPD-Vorsitzender noch Spaß?
KURT BECK: Ein solches Amt unterliegt nicht dem Spaßfaktor. Ich mache
es, weil ich es übernommen habe und pflichtbewusst bin. Außerdem habe
ich Freude am Gestalten, und diese Freude ist nach wie vor da.
Die SPD steht derzeit nicht besonders gut da. Wie ist sie in diese
Lage geraten?
BECK: 1998 nach 16 Jahren Helmut Kohl standen die Sozialsysteme vor 
dem Zusammenbruch. Die notwendigen Reformen, die unumgänglich waren, 
haben uns viele Mitglieder und Wähler übelgenommen. Dann haben wir 
Konkurrenz durch die sogenannte Linke bekommen. Schließlich ist die 
von den Wählern vorgegebene Große Koalition nichts, wonach viele 
SPD-Anhänger und Wähler Sehnsucht hatten.
Welche Wählergruppen spricht die SPD von heute denn noch an?
BECK: Unsere Zielgruppe ist die solidarische Mehrheit, bestehend aus 
den Leistungsträgern der Gesellschaft wie beispielsweise der 
Busfahrer, die Krankenschwester, der Ingenieur, aber auch sozial 
verantwortliche, erfolgreiche Unternehmer.
Aber genau diese Gruppe leidet doch besonders unter der aktuellen 
Preisexplosion bei Benzin, Strom, Gas und Lebensmitteln. Denen würde 
die Senkung der Ökosteuer oder die Wiedereinführung der 
Pendlerpauschale vom ersten Kilometer an gut tun.
BECK: Da muss ich Ihnen widersprechen. Ersparnisse bei der Ökosteuer 
könnten auch direkt an die Ölkonzerne überwiesen werden. Der 
Verbraucher hätte davon nichts. So wird Diesel schon heute deutlich 
geringer besteuert als Benzin und ist trotzdem genauso teuer. 
Außerdem wird ein Absenken der Ökosteuer ein Riesenloch in die 
Rentenkasse reißen. Das würde zu Beitragserhöhungen führen. Die 
Menschen hätten davon nichts.
Und die Pendlerpauschale?
BECK: . . . ist ein Stück aus dem Tollhaus. Erst wurde die 
Abschaffung vom Kabinett Merkel unter Mitwirkung der CSU beschlossen,
und plötzlich vor den Landtagswahlen in Bayern will man sie per 
Unterschriftenaktion wieder einführen. Das ist unverantwortlich, denn
damit fehlten 2,5 Milliarden Euro für den ausgeglichenen Haushalt, 
den Finanzminister Peer Steinbrück 2011 vorlegen will.
Vom ausgeglichenen Bundeshaushalt 2011 können sich die Menschen 
aber nichts kaufen. Könnte man den nicht verschieben?
BECK: Nein, das können und wollen wir nicht. Wir dürfen nicht 
dauerhaft auf dem Rücken zukünftiger Generationen leben. Denn die 
Schuldenlast würde weiter wachsen. Wir möchten die zusätzlichen 
Steuereinnahmen zukunftsgerecht und sozial verwenden: in den Ländern 
für Bildung, Kinderbetreuung und Infrastruktur, im Bund dafür, dass 
die Sozialversicherungsbeiträge sinken können. Das werden 
Arbeitnehmer und Unternehmen in der eigenen Kasse spüren.
Gestiegene Energiepreise haben die Atomkraft wieder zu einem Thema
gemacht. Ihr Parteifreund Erhard Eppler schlägt längere Laufzeiten 
für einige Meiler vor. Im Gegenzug soll im Grundgesetz festgesetzt 
werden, dass keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut werden.
BECK: Erhard Eppler will mit seinen Äußerungen die Union zu einer 
klaren Haltung zwingen, nämlich den Ausstieg aus der Atomkraft im 
Grundgesetz festzuschreiben. Ein ähnlicher Vorschlag von Gerhard 
Schröder wurde von der Union ja schon einmal massiv abgelehnt. Was 
längere Restlaufzeiten angeht, gibt es eine klare Vereinbarung, die 
schon zu Gerhard Schröders Regierungszeiten getroffen wurde.
Sollen die Laufzeiten über das Jahr 2021 hinaus verlängert 
werden?</CF><CF32>BECK:</CF> Nein, am von Rot-Grün vereinbarten und 
der Großen Koalition bestätigten Ausstieg halten wir fest. Wenn die 
Energieversorger jüngere Atomkraftwerke länger laufen lassen wollen, 
müssen ältere Meiler schneller vom Netz. Das steht so im Atomkonsens.
Kernenergie ist nicht gleichzusetzen mit billigem Strom. Die SPD 
setzt auf Energiesparen, alternative Energien und moderne Kohle- und 
Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung.
Und mit welchem Partner wollen Sie diese Politik nach der nächsten
Bundestagswahl im September 2009 umsetzen?
BECK: Wir würden gern die rot-grüne Koalition wieder auflegen, sehen 
aber auch Schnittmengen mit der FDP. Wir werden uns aber auch einer 
Großen Koalition nicht verweigern - im Interesse des Landes.
Und die Linken?
BECK: Die sind für uns auf Bundesebene kein Partner, denn sie wollen 
Deutschland aus den internationalen Vereinbarungen lösen. Außerdem 
betreiben sie eine Sozialpolitik zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und 
Arbeitnehmer. Das ist mit uns nicht zu machen.
Gilt das auch für die Landesebene?
BECK: Unsere Landesverbände haben die Freiheit, darüber selber zu 
entscheiden, und werden das verantwortungsvoll tun.
Sie erwarten von der Nominierung des Kanzlerkandidaten einen Schub
für die Partei. Warum benennen Sie den Kandidaten nicht schon heute?
BECK: Wir werden diese Frage rechtzeitig beantworten und uns da nicht
treiben lassen.
Alle reden von mehr Demokratie und Volksbeteiligung. Warum keine 
Urwahl des Kanzlerkandidaten durch alle SPD-Mitglieder?
BECK: Diese Frage stellt sich nicht, und ich halte es auch nicht für 
sinnvoll.
Steht Ihre persönliche Entscheidung denn schon fest?
BECK: Ich werde als Parteivorsitzender im Herbst einen Vorschlag 
machen.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: +49 (0)521 55 52 71
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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