Neue Westfälische: Die Kirche und die Krise
Bielefeld (ots)
Selbstbezogen CARSTEN HEIL Die katholische Bischofskonferenz ist eine Versammlung von Männern, die oft völlig unterschiedlicher Meinung sind. Ein weit verbreitetes Missverständnis in der Öffentlichkeit ist die Annahme, der Episkopat stimme in allen Fragen überein. Deshalb werden provozierende Äußerungen von Walter Mixa oder Joachim Meisner oft zu Unrecht auf die ganze Kirche, womöglich auf alle Katholiken übertragen. Vor ihrer jüngsten Frühjahrsvollversammlung diskutierten die Bischöfe öffentlich sehr kontrovers über den Umgang ihrer Kirche mit den extrem konservativen Pius-Brüdern und den Holocaust-Leugner Richard Williamson. Diese dissonante Debatte war allerdings doch etwas Besonderes und Ungewohntes, denn im Hintergrund ging es um die Rolle und Autorität des deutschen Papstes. Es ist Benedikt VXI., der, von einer überwiegend deutlich konservativen Kurie in Rom beraten, die irrlichternden Pius-Brüder in die Gemeinschaft der Katholischen Kirche zurückholen will. Er trägt damit die Verantwortung für den Ansehensverlust seiner Kirche in der Öffentlichkeit. Je schärfer die Bischofskonferenz nun den Fehler Roms gegeißelt hätte, desto herber wäre das als Kritik am Papst verstanden worden. Folglich gab's lediglich ein bisschen Kritik. Schuld an der verfahrenen Lage seien die Pius-Brüder, Benedikt könne nichts dafür, aber die Kommunikation im Vatikan müsse verbessert werden. Mehr war nicht drin. Manch Liberaler in der Katholischen Kirche, außerhalb sowieso, hatte sich deutlichere Worte gewünscht. Sogar der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte sich zu Beginn der Tagung deutlich schärfer geäußert. Der bislang blasse Erzbischof im Amt des Vorsitzenden hat sich in Hamburg dennoch Profil verschafft, indem er zwar eigene Positionen bezogen, aber gleichzeitig für einen Kompromiss gesorgt hat. Leider bei einem für die Gesellschaft nebensächlichen Problem. Denn das Bittere an der Debatte um die Pius-Brüder ist, dass die Kirche sich derzeit nur mit sich selbst beschäftigt. Dabei ist ihre Stimme in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise gefragt. Zollitsch ist es trotz seiner Versuche nicht gelungen, seiner Kirche in dieser viel wichtigeren Frage Gehör zu verschaffen. Im Eröffnungsgottesdienst hat der Freiburger Erzbischof noch Worte zu christlichem Verhalten in der Wirtschaft gefunden. Dann wurde es still dazu. Wenn die gegenwärtige Krise aber so tiefgreifend ist, dass sie zum Umdenken zwingt, sind vom christlichen Glauben motivierte, soziale Mahnungen genauso wichtig wie die Meinungen von Wissenschaftlern, Philosophen, Ethikern, Handwerkern und anderen. Die Bühne darf nicht länger nur Wirtschafts-und Finanzexperten überlassen werden, die das Debakel angerichtet haben. Ein kirchliches Sozialwort wie 1996 wäre zwar enorm wichtig, ist derzeit aber nicht zu erwarten. Wenn die Kirche sich in ernster Lage weiter nur mit sich selbst und ein paar unbedeutenden Wirrköpfen in den eigenen Reihen beschäftigt, verliert sie nicht nur an Ansehen, sondern an Glaubwürdigkeit.
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