Neue Westfälische: Krieg in Afghanistan Ein deutscher Mythos BERNHARD HÄNEL
Bielefeld (ots)
Eine überfällige Debatte hat begonnen: Ist Deutschland im Krieg? Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagt nein. Ja, meint dagegen der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe. Wer recht hat, ist eine Frage der Definition und subjektiver Interessen. Weiter kommt man, wenn man die in Deutschland entwickelte und weltweit an Militärakademien gebräuchliche Definition von Krieg zu Rate zieht. Sie stammt vom preußischen General und Militärhistoriker Carl von Clausewitz: "Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel." Das Ziel jedes Kriegs bestehe im Wesentlichen darin, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen. Der genaue Zweck wird von der Politik bestimmt. Um den Zweck zu erfüllen, müsse der Gegner wehrlos gemacht werden, was bedeute, dass die gegnerischen Streitkräfte ausgeschaltet werden müssten. So gesehen befindet sich Deutschland in Afghanistan im Krieg. Jungs Amtsvorgänger Peter Struck hat dies deutlich ausgedrückt, als er sagte, dass am Hindukusch unsere Freiheit verteidigt werde. Das Problem aber ist, dass zu Clausewitz' Zeiten ein asymmetrischer Krieg unbekannt war. Den aber führt die Bundeswehr in Afghanistan. Auf der einen Seite stehen nationale Armeen, auf der anderen die radikal-islamischen Taliban. Sie taugen zwar zum militärischen Gegner, aber nicht zur Kriegspartei im völkerrechtlichen Sinne. Aus dieser juristischen Sicht betrachtet, hat Jung recht mit seiner Ansicht. Den Soldaten ist dies natürlich schnuppe und den Angehörigen der bislang 35 in Afghanistan Gefallenen kein Trost. Der Rest der Nation hüllt sich in Schweigen, will jede Diskussion vermeiden. Deutschland hat sich kommod eingerichtet in seiner Anti-Kriegs-Haltung. Gern erinnert man sich, wie sich Gerhard Schröder gegen George W. Bush im Irakkrieg stellte. Dass man sich längst im Krieg befindet, passt nicht zum pazifistischen Mythos. Lieber verschließen wir die Augen vor der Wirklichkeit des Krieges.
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