Neue Westfälische: Neue Westfälische, Bielefeld: KOMMENTAR Lafontaine zieht sich zurück Neue Spielräume ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Es gab in den vergangenen Jahren genügend Anlässe, sich über Oskar Lafontaine aufzuregen. Vor allem wenn er die Rolle des Populisten und Scharfmachers gab. Doch trotzdem hätte man diesem Vollblutpolitiker einen anderen Abgang gewünscht. Es ist schon bedauerlich, dass es eine heimtückische Krankheit ist, die ihn nun zum Aufgeben zwingt. Für die Linke ist sein Abgang zunächst eine Katastrophe. Denn es drängt sich keine natürliche Nachfolgeregelung auf. Eigentlich kann in dieser heiklen Lage nur Gregor Gysi übernehmen. Er ist der Einzige an der Spitze, der sowohl in Ost als auch in West über Autorität verfügt. Aber auch Gysi ist gesundheitlich angeschlagen. Schließlich hat er drei Herzinfarkte hinter sich. Und Gysi ist auch nicht mehr ganz so unumstritten. Seitdem er öffentlich den Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch abkanzelte und zum Aufgeben drängte, grummelt es in den östlichen Landesverbänden. Aber immerhin verfügt Gysi über ein Charisma, das den anderen potenziellen Nachfolgern, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, fehlt. Für die SPD ist der Rückzug von Lafontaine eine Chance. Denn die rot-rot-grüne Machtperspektive ist bislang auch an der Unvereinbarkeit von Personen wie etwa Lafontaine und Franz Müntefering gescheitert. Doch mit dem Abtreten dieser Generation eröffnen sich neue Spielräume. Und auch wenn es das Spitzenpersonal beider Parteien noch weit von sich weist: Schon jetzt ist erkennbar, dass die Nachwuchspolitiker sowohl der Linken als auch der SPD althergebrachte Berührungsängste nicht mehr kennen. Der Prozess der Annäherung wird freilich zweiseitig sein. Die SPD wird linker - und die Linke wird irgendwann im Bund den Kurs der Fundamentalopposition aufweichen müssen. Ohne Lafontaine könnte es schon 2013 so weit sein.
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