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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Neue Westfälische, Bielefeld: KOMMENTAR Debatte um Regelsätze für Hartz IV Kinder total egal MARTIN KRAUSE

Bielefeld (ots)

Ursula von der Leyen wird zynisch. Sie fordert
mehr Bildung für Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Sie sagt, das könne 
auch mit der Finanzierung eines Ranzens, einer Klassenfahrt oder 
eines Taschenrechners geschehen - statt mit Geld. Noch unverblümter 
sagt es FDP-Politiker Martin Lindner: "Ich möchte nicht (...) dass 
man übers Kinderkriegen Geld verdienen kann." Beide stellen Teile der
Bevölkerung unter Generalverdacht - den Verdacht, dass Eltern das für
ihre Kinder bestimmte Geld missbrauchen, versaufen und verprassen. 
Wer so diskriminiert wird, muss stark sein, um nicht wirklich im Suff
zu enden.
Ministerin von der Leyen ist siebenfache Mami, gewiss kinderlieb, 
promovierte Ärztin und Spross der Politikerdynastie Albrecht. Diese 
Elitemutti darf dem armenfeindlichen Lindner zufolge also 
siebenfaches Kindergeld kassieren, weil sie die finanzielle Hilfe gar
nicht nötig hat. Weniger Privilegierte haben Pech: Für 
Hartz-IV-Empfänger gibt es den mageren Kinder-Regelsatz, sonst 
nichts.
Eltern haben keine Lobby, und niemand erwartet, dass sich dies 
ausgerechnet unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel und Guido 
Westerwelle ändert. Hoteliers und Pelztierschützer sind besser 
organisiert als Eltern, die sich zwischen Wickeltisch und 
Wartezimmer, Schule und Beruf aufreiben. Eltern hört man nicht, und 
viele sind tatsächlich sprachlos über die führenden Ignoranten. Wer 
soll glauben, dass monatlich 215 Euro Regelsatz fürs erste Kind (251 
fürs zweite) zum Geldverdienen taugen und nicht zu finanziellen 
Nöten?
Man braucht keine Kinder, um das Herz auf dem rechten Fleck zu haben.
Weltfremden Entscheidern aber sei gesagt: Die lieben Kleinen mampfen 
wie die Scheunendrescher, lassen sich nicht lange mit dem 
Kinderteller abspeisen. Sie wachsen dann wie Unkraut (Gott sei Dank) 
und brauchen dauernd neue Schuhe, Jacken, Hosen. Mit den Kleinen 
wächst ihr Bedarf an Elektronik: kein Handy, kein Nintendo, keine 
Wii? Das macht Kinder mürrisch. Jeder Teenager braucht zumindest 
Zugang zum Internet - das ist soziales Muss. Urlaub wird zum Luxus, 
sobald der Nachwuchs in die Schule geht. Doppelte Reisepreise in der 
Ferienzeit können viele nicht bezahlen, nur Campen an der Weser. Die 
billige Vorsaison im Club am Meer gönnen sich Doppelverdiener ohne 
Kinder.
Bildung wird vor allem für Familien mit Migrationshintergrund auch 
zum Kostenfaktor. Braucht das Kind professionelle Nachhilfe, weil es 
neben Deutsch und Türkisch oder Serbisch jetzt auch Englisch in der 
Grundschule lernen soll, wird das Geld noch knapper. Relative Armut 
und die Pisa-Ergebnisse sind zwei Seiten einer Medaille.
Unsere Gesellschaft ist kinderfeindlich, nicht nur unterschwellig. 
Kinder sind Karrierehemmnisse, stören in feinen Wohngegenden, 
erfüllen nicht die Erwartungen von Firmen, Kinder nerven.
Dr. von der Leyens Elterngeld, darauf ausgerichtet, den Babywunsch 
von Akademikern anzustacheln, zeigt, dass manche Kinder gewünschter 
sind als andere. In den Schlafzimmern aber sorgte das Elterngeld für 
Null Erregung. Wer es sich leisten kann, macht Karriereplanung nicht 
von ein paar Euro abhängig.
Was ist wirklich faul in diesem Staate? Eltern, die den Staat 
angeblich plündern wollen? Oder stimmt etwas mit den Eliten nicht? 
Der Verdacht wächst: Den Mächtigen, die sich über sinkende 
Geburtenraten wundern, sind Kinder eigentlich total egal. Die nicht 
so gut Gestellten lieben ihre Kinder trotzdem und würden sie nicht 
hergeben. Für kein Geld der Welt.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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