Neue Westfälische: Wieder tote Bundeswehrsoldaten Neu nachdenken CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Deutschland wird sich an schlechte Nachrichten aus Afghanistan gewöhnen müssen. Gestern starben wieder vier Bundeswehrsoldaten bei Gefechten mit Taliban-Kämpfern, fünf wurden verletzt, zwei schwer. Und es ist zu fürchten, dass sie nicht die letzten gewesen sein werden. Das ist zuallererst eine große Katastrophe für die Angehörigen. Ihre fürchterliche Angst, mit der sie den Einsatz ihrer Lieben am Hindukusch begleiten, war berechtigt und schlägt nun um in tiefe Trauer. Erst vor zwei Tagen ist der bei Kundus getötete Bielefelder Soldat Martin Augustyniak beigesetzt worden. Die Tränen seiner Familie sind noch lange nicht getrocknet, da trifft der Horror schon die nächsten Deutschen. Das ist schrecklich, darf aber die politische Debatte über den Einsatz nicht zu sehr beeinflussen. Die Deutschen sind es in jüngster Vergangenheit nicht gewohnt, dass ihre Soldaten in Kampfeinsätzen umkommen. Ganz anders als Briten und Amerikaner. Die Taliban wissen das und haben die Bundeswehr als schwächstes Glied in der Kette ausgemacht. Sie wissen, dass in Deutschland ein Menschenleben höher geachtet ist als in Afghanistan. Und sie wissen auch, dass sich die Mehrheit der Deutschen längst für einen Abzug ausspricht. Es wird also auch innenpolitisch für die verantwortliche Regierung gefährlich. Sollte sich Deutschland unter dem Eindruck der fürchterlichen Schläge aus der Allianz verabschieden, hätten die Islamisten einen entscheidenden Etappensieg errungen. Einfache Antworten gibt es nicht. Der Deutsche Bundestag ist dennoch dazu verpflichtet, neu zu diskutieren, neu zu bewerten und dann eine eindeutige Antwort zu geben und dann die entsprechenden Maßnahmen zu beschließen. So nah der Wunsch nach Abzug liegt und so berechtigt die Frage nach dem Sinn des Einsatzes ist, so unkalkulierbar wären die Folgen eines schnellen Rückzuges. Wenn die Parlamentarier zu dem Schluss kommen, dass der Einsatz immer noch sinnvoll ist, müssen sie die Truppe entsprechend ausstatten. Bisher haben sie immer nur in kleinen Schritten nachgebessert, die Soldaten vor Ort waren stets im Hintertreffen. Zu Beginn des Einsatzes mussten sich die deutschen Kräfte sogar selbst Ferngläser bei Tchibo kaufen, um ausgestattet zu sein. Und so lange die gefährliche Aktion dauert, so lange wird die Debatte um Anzahl der Soldaten und deren Ausstattung geführt. So gab Verteidigungsminister zu Guttenberg erst nach dem Tod von drei Bundeswehrangehörigen vor zwei Wochen und seinem Afghanistan-Besuch in diesen Tagen bekannt, dass 60 weitere gepanzerte Fahrzeuge bestellt werden. Warum nicht früher? Überraschend kommen die Angriffe nicht. Schon 2006 haben Experten der deutschen Botschaft in vertraulichen Berichten davon gesprochen, dass das Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden zunehmend gefährlicher werde. Ohne Konsequenz. Und schließlich müssen sich die Alliierten einig werden. Briten, Deutsche und Amerikaner arbeiten nicht an einer gemeinsamen Strategie. Jeder scheint froh, wenn der Feind im Gebiet der anderen zuschlägt. So ist den kriegserfahrenen Taliban nicht beizukommen.
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