Neue Westfälische (Bielefeld): Frankfurter Buchmesse Phantastische Zeiten STEFAN BRAMS
Bielefeld (ots)
Auf die Frage, warum die Menschen in Zeiten von Fernsehen und Internet Bücher brauchen, sagte der Kritiker Marcel Reich-Ranicki dieser Tage: "Diese Frage wird nicht erst gestellt, seitdem es Fernsehen und Internet gibt, sondern seit Jahrhunderten." Die Antwort sei immer die gleiche: "Der Mensch will wissen, in was für einer Welt er lebt. Er will wissen, wer er ist und wie er mit anderen Menschen zusammenleben kann." Und der Philosoph Georg Lukács brachte es einst auf die prägnante Formel: "Literatur ist das Gedächtnis der Menschheit." </DC>Die Herren haben Recht, deshalb lesen wir so gerne, deshalb haben gedruckte Bücher immer noch Konjunktur, deshalb hat die Frankfurter Buchmesse nach wie vor so einen starken Zuspruch und mit 7.500 Ausstellern und 110.000 Neuerscheinungen mal wieder einen Höchststand zu verzeichnen. Bücher sind nach wie vor in der Lage uns zu packen, mitzunehmen, sie gehören zu unserem Alltag. Und eben deshalb muss allen Kulturpessimisten in diesen Tagen nicht wirklich bange um das gedruckte Buch sein: Es wird Bestand haben, weil es ästhetisch ist, weil es so schön praktisch ist, weil es in der Wüste genauso gut aufzuschlagen ist wie im Tiefschnee und bei Hitze als auch bei Kälte die Lettern ihren Geist nicht aufgeben, sondern ihren selbigen dem Leser freigeben, wo immer er liest. Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa sprach vom "Lesen als durch fremde Hände träumen." Das alles gibt uns das Buch. Doch die Buchmesse in Frankfurt zeigt auch: Neben das gedruckte Buch wird unaufhaltsam das digitale Buch treten, das als so genanntes E-Book auf verschiedenen Lesegeräten oder auf den neuen Tablet-PCs immer weiter Einzug halten wird in unsere Welt. Droht deshalb der Untergang des gedruckten Buches? Nein! Es wird noch etliche Jahre sogar führend neben diesen neuen Medien existieren, da sind sich alle Experten sicher. Und die Zahlen belegen es: In Deutschland macht das digitale Buch gerademal einen Prozent des Umsatzes im Buchhandel aus. Tendenz steigend. Doch mehr als fünf bis zehn Prozent werde das digitale Buch mittelfristig nicht erobern, heißt es auch. Es gilt: Wir leben in einer Umbruchzeit und erleben mal wieder, dass etwas Neues neben etwas Altes tritt. Buchmessen-Direktor Juergen Boos nennt das etwas pathetisch die "zweite Revolution nach der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg". Und trotz dieser "zweiten Revolution" wird das Abendland wieder einmal nicht untergehen. Denn auch mittels der neuen Medien kann man Bücher lesen - sehr gut sogar mittlerweile - man kann mit ihnen sogar lesen lernen, sein Wissen vertiefen und manches geht sogar flotter und besser als im herkömmlichen Buch - nämlich das Beschaffen von zusätzlichen Informationen, die animierte Aufbereitung und das Nachschlagen von Textstellen. Warum das nicht auch nutzen? Fazit: Zwei Ausgabekanäle für das "Gedächtnis der Menschheit" - eigentlich phantastische Zeiten für Freunde des Lesens.
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