Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Künast gegen Wowereit Frischzellenkur PETER GÄRTNER
Bielefeld (ots)
Es ist eine Inszenierung, wie sie das Land noch nicht erlebt hat. Seit Monaten wird darüber spekuliert, ob Renate Künast Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden möchte. Sie selbst hat das Gerücht nie dementiert, aber so lange gewartet, bis die Erfolgsaussichten ausgesprochen grün wurden. Während andere Kandidaten längst in der Gerüchteküche verbrannt wären, ist Künasts Verzögerungstaktik ein voller Erfolg. Selten hat eine Partei eine komfortablere Ausgangsbasis für eine Wahl gehabt, wenn es um Umfragen und Sympathiewerte geht. Doch was die Spitzenkandidatin in der Hauptstadt anders und vor allem besser als der Dauer-Regierungschef Klaus Wowereit machen will, ist im grauen Berliner Novemberhimmel nur ansatzweise zu entdecken. Die Grünen in Berlin sind jedenfalls alles andere als personell und inhaltlich vorbereitet, um als stärkste politische Kraft Verantwortung zu übernehmen. Zu überraschend ist das Umfragehoch über die kleine Öko- und Bürgerrechtspartei gekommen, die in der Gunst der Berliner plötzlich wie eine ausgewachsene Volkspartei dasteht. Erste Auswirkungen der Kandidatur Künasts sind jedoch absehbar. Es wird gewiss keinen Wahlkampf geben, der wie ein Schlafwagen unbemerkt durch die nächtliche Stadt rollt. Erstmals nach einem Jahrzehnt Amtszeit erhält der Sozialdemokrat Wowereit wieder eine Gegnerin auf Augenhöhe. Die Landespolitik hat eine Frischzellenkur dringend nötig.
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