Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Merkel und Sarkozy zur Euro-Stabilisierung Initiative statt Reaktion PETER HEUSCH, PARIS
Bielefeld (ots)
In der Eurokrise braucht Europa nichts so dringend wie Tatkraft und Führung. An beidem hat es bislang gemangelt, was zum Teil an den Brüsseler Institutionen liegt. Der Lissabonner Vertrag gibt ein effektives Krisenmanagement in Wirtschaftsfragen nicht her. Folgerichtig trifft die Entscheidungsträger der Eurozone nur eine Teilschuld, wenn sie in den vergangen Monaten wie eine von den Märkten gehetzte Herde aufgeschreckter Lämmer wirkten. Doch in dieser Woche haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Paris endlich zum Gegenangriff geblasen und den Willen signalisiert, die Probleme an der Wurzel zu packen. Ihr Plädoyer für eine "echte" europäische Wirtschaftsregierung und eine in der Verfassung aller Euro-Staaten verankerten Schuldenbremse kann zwar nach Lage der Dinge nur eine Richtungsvorgabe sein. Aber es belegt, dass die bereits totgeglaubte Achse Berlin-Paris nur etwas Schmierstoff brauchte, um ihren zuletzt dramatisch fehlenden Führungswillen wiederzufinden. Initiative statt Reaktion - schon das mutet wie ein Fortschritt an. Und es zeichnet ein anderes Bild als jenes der sich jagenden Krisensitzungen in Brüssel, auf denen stets in allerletzter Minute überfällige Beschlüsse wie der der Einrichtung des Euro-Rettungsfonds oder dessen Aufstockung gefasst wurden. Natürlich ist es keineswegs belanglos, wie Finanzexperten und Märkte die Vorstöße des deutsch-französischen Duos bewerten. Doch ungleich wichtiger ist die Demonstration des politischen Handlungswillens. Irgendwann müssen sowohl Angela Merkel als auch Nicolas Sarkozy einen Augenblick der Einsicht gehabt haben. Bei der Deutschen führte er dazu, das Kostüm der bei sämtlichen Rettungsversuchen zögernden oder gar bremsenden Klassenbesten abzulegen. Der sich so gerne als Retter Europas gebärdende Franzose seinerseits hat verinnerlicht, dass selbst sein beträchtlicher Tatendrang am Ende nicht ein mit Berlin abgestimmtes Handeln ersetzten kann. Unter dem Strich gossen beide Wasser in ihren Wein. Die europäische Wirtschaftsregierung mag eine alte französische Forderung sein, ihre jetzt angedachte Form jedoch entspricht in erster Linie deutschen Vorstellungen. Andererseits ist die Frage der Eurobonds erst einmal vom Tisch, die in Paris jenseits aller technischen Vor- und Nachteile als ein Symbol europäischer Solidarität angesehen werden. Die deutsch-französische Initiative fußt auf einem echten Kompromiss. Tatsächlich könnte die von Paris und Berlin angestrebte engere Verzahnung der Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Eurozone der Gemeinschaftswährung ein solides Fundament verschaffen. Europas Kernmächte haben getan, was in ihrer Macht steht, wenn sie geschlossen auftreten: einen wichtigen Anstoß geben! Das ist nicht mehr als ein Ansatz zur Problemlösung, allerdings auch nicht weniger. Nun gilt es, die Partner zu überzeugen und einen leider langwierigen Entscheidungsprozess einzuleiten. Die Börsen, die nur auf Sofortmaßnahmen reagieren, werden das kaum goutieren, der Sturm ist also längst nicht vorüber.
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