Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Unruhen in Ägypten Die zweite Revolution THOMAS SCHÖNEICH
Bielefeld (ots)
Kaum etwas in der Politik ist so verführerisch wie Macht. Tunesiens Präsident Ben Ali hat sich so lange wie möglich an sie geklammert, Ägyptens Mubarak ebenso wie Libyens Diktator Gaddafi. Sie alle wurden von den Protesten des Arabischen Frühlings aus dem Amt gejagt, letztgenannter am Ende - die genauen Umstände sind unklar - gar erschossen. Ägyptens Militärrat hat aus alldem nichts gelernt. Statt sich wie angekündigt einige Zeit nach dem Sturz Mubaraks zurückzuziehen, die Verantwortung an eine zivile Regierung zu geben und den Weg frei zu machen für eine Demokratisierung Ägyptens, hat er die vergangenen Monate nur genutzt, seine Stellung weiter zu festigen. Macht ist verführerisch. Die vom Rat vorgestellten Verfassungsrichtlinien, die das Militär über das Parlament stellen, der Armee weitgehende Autonomie garantieren und den Verteidigungshaushalt der parlamentarischen Kontrolle entziehen, treten die Ideale und Ziele, für die die Ägypter auf die Straße gingen, mit Füßen. Präziser und weitgehender: Durch den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten delegitimiert sich der Rat - obwohl sich das Militär beim Sturz Mubaraks noch an die Spitze des Volkes stellte. Und so sind die aktuellen Proteste in Ägypten nichts anderes als eine neue, eine zweite Revolution. Die Menschen auf dem Kairoer Tahrir-Platz und in den anderen Städten kämpfen für das, was sie glaubten, bereits gewonnen zu haben: Freiheit und Demokratie. Und sie sind bereit, dafür zu sterben. Soll noch Schlimmeres verhindert werden, muss der Militärrat zurücktreten. Die Armee muss dann die kommenden Wahlen absichern, so dass eine neue Regierung gewählt werden kann. Doch das Militär hat viel zu verlieren. Es hat eine eigene Gerichtsbarkeit, eigene Firmen. Und Macht, wenn man sie erst einmal hat, ist verführerisch.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell