Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Staatsanwaltschaft will gegen Christian Wulff ermitteln Unwürdiger Präsident THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Christian Wulff ist seit gestern Abend ein historischer Präsident. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik muss sich der Immunitätsausschuss des Bundestages mit der Frage beschäftigen, ob er die Immunität des Staatsoberhautes aufhebt. Allein das reicht nun eigentlich für einen Rückzug vom Amt. Selbstverständlich gilt auch für den Bundespräsidenten die Unschuldsvermutung. Und selbstverständlich hat auch Wulff ein Anrecht auf rechtliches Gehör. Aber es geht hier schon lange nicht mehr nur um die Rechtslage. Seit dem 13. Dezember 2011 erleben wir den Zerfall politischer Autorität. Zunächst nur die Person, inzwischen auch das Amt sind nachhaltig beschädigt. Unvorstellbar, dass Wulff jemals etwas von jener Autorität zurückgewinnen könnte, die er zur Ausübung seines Amtes benötigte. Wulff aber zeigt sich immun gegen alle solche Vorhaltungen. Er bleibt einfach sitzen. Damit wird sein Fall langsam, aber stetig auch zu einem Fall Merkel. Sie hat sich in der Beherrschungder Wulff-Affäre und mit ihrem Krisenmanagement erfolgreich zur Präsidialkanzlerin entwickelt. Sie ist die derzeit einzige politische Autorität, die eine Mehrheit hinter sich versammeln kann. Eine Bestandsgarantie dafür gibt es indes nicht. Je länger die Affäre dauert, desto stärker wächst die Gefahr für Merkel, in den Abwärtsstrudel des von ihr erwählten Präsidenten hineingezogen zu werden. Merkels Problem: Sie hat außer ihrer Autorität kein Mittel, Wulff aus dem Amt zu bringen. Ist der Präsident erst einmal gewählt, gibt es hohe Hürden für ein Amtsenthebungsverfahren. Nur Wulff selbst könnte die Blockade beenden, in die er sich und das Amt manövriert hat. Dazu bräuchte es Charakter, Anstand und Aufrichtigkeit. Eigenschaften, die ein würdiges Staatsoberhaupt braucht. Wulff hat sie offenbar nicht.
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