Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Solidarpakt für den Osten In Köpfe investieren CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Woran ist zu erkennen, dass es einer Kommune gut geht? Am schick aufgemöbelten Marktplatz, mit frischem Putz an bunten Häuserzeilen und Straßen ohne Schlaglöcher. Auf diesem Niveau wird derzeit die Debatte um den Solidarpakt II geführt, der noch bis 2019 rund 156 Milliarden Euro von Deutschlands Westen in den Osten pumpen soll. Schaut in den Osten, überall hübsche Stadtzentren, fein saniert und bei uns bröckelt der Putz von den Wänden. Mit dieser Begründung wollen viele im Westen nicht mehr zahlen. Derzeit begehren Oberbürgermeister einiger Ruhrgebietsstädte gegen diesen Geldabfluss gen Osten auf. Und auch Städte und Gemeinden in OWL - selbst hoch verschuldet - ächzen unter der Belastung. Denn wenn eine Stadt Schulden aufnehmen muss, um den Solidarpakt zu erfüllen, ist das in der Tat pervers, wie Dortmunds Oberbürgermeister Volker Sierau bemerkt. Daraus aber ist keine grundsätzliche West-Ost-Debatte zu schneidern, wie es die reichen Südländer Bayern und Baden-Württemberg heuchlerisch genauso versuchen, wie die Ost-Ministerpräsidenten. Die Länderchefs verweisen auf eine schlechtere Wirtschaftsleistung und eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit im Osten als im Westen. Auch das stimmt nur zum Teil. Die Arbeitslosenquote der Ostländer liegt bei zwölf Prozent. Gelsenkirchen hat 14,6 Prozent, Duisburg 13,5, Dortmund 13,3. Da liegt es auf der Hand, dass der Solidarpakt auch diesen Städten zu Gute kommen müsste. Es gilt also, genauer hinzuschauen. Auch wenn die Arbeitslosenquote nur ein Faktor ist, in Potsdam und Dresden liegt sie unter zehn Prozent. Dresden hat Wohnungen in öffentlichem Besitz privatisiert und ist seit dem so gut wie schuldenfrei. Warum zahlt diese Stadt, neben anderen im Osten, nicht auch in den Solidarpakt ein? Aus dem dann Städte wie Duisburg etwas erhalten könnten? Es gibt im Osten aber auch die Uckermark mit entvölkerten Landstrichen. Da ist außer Landschaft wenig. Das kann auch eine verschuldete Westkommune nicht ignorieren. Allerdings müsste das Geld viel mehr in Köpfe und weniger in Putz und Fassaden investiert werden. So schön es auf den sanierten Straße und Plätzen im Osten ist - Wissen, Bildung und Risikobereitschaft schöpfen Wert. Investiert werden muss im Osten wie im Westen in Wissenschaft, Bildung und Unternehmertum. Wer ist bereit, unternehmerische Gefahren einzugehen, freie Entscheidungen zu treffen? Und wie machen wir die Menschen fit dafür? Das ist der Solidarpakt, den wir brauchen. Ganz nebenbei: Das eigentliche Problem der Kommunen in Ost wie West ist nicht der Solidarpakt, sondern die seit Jahren anhaltende Durchreiche-Politik von Bund und Ländern. Immer mehr Aufgaben werden auf sie verlagert (Recht auf Kindergartenplatz, Garantie der Unter-Drei-Betreuung, Sozialausgaben) ohne die Kommunen mit den nötigen Mitteln auszustatten. Da muss Berlin ran, um Lebensqualität in der Fläche zu erhalten.
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