Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar NRW hat die Wahl Starkes Land mit Signalwirkung THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Heute schon ist Schwarz-Gelb Meister. Und heute Abend reicht es vielleicht sogar zum Pokalsieg. Morgen Abend aber wird es für Schwarz-Gelb nicht reichen: Wenn nicht alle Vorhersagen täuschen, wird ein Bündnis von Union und FDP, das im Bund regiert und auch die Geschicke in NRW bis 2010 lenkte, nicht genügend Stimmen für eine Regierung sammeln können. Aber ob es für eine rot-grüne Koalition reicht, die als Minderheitsregierung vor 60 Tagen keine Mehrheit für die Haushaltsfinanzierung ihrer Politik organisieren konnten, ist - wie zuletzt die Wahl in Schleswig-Holstein gezeigt hat - ebenfalls keineswegs sicher. Es hängt davon ab, wie viele Nordrhein-Westfalen zur Wahl gehen, und davon, wie viele die sogenannten kleineren Parteien FDP, Linke und Piraten wählen. Die Lager - ganz gleich, ob Schwarz-Gelb oder Rot-Grün - sind insgesamt kleiner geworden. Das ist eigentlich kein Wunder. In einer offenen Gesellschaft artikulieren sich Interessen auch in neuen politischen Bewegungen. Es zeichnet eine stabile Demokratie sogar aus, dass viele unterschiedliche Interessen sich politisch organisieren, ohne das demokratische System an sich in Frage zu stellen. Die Lage ist insofern stets besonders, als die Wahlen in NRW von jeher Trendwahlen sind. Hier entstand 1966 die erste rot-gelbe Koalition aus SPD und FDP - drei Jahre darauf wählte eben dieses Bündnis Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler. Rot-Grün begann hier 1995 seine Koalitionsgeschichte und übernahm drei Jahre später auch die Bundesregierung. 2005 ging Rot-Grün in NRW wieder unter und leitete damit das Ende der Regierung Schröder/Fischer ein. Die 18 Millionen Nordrhein-Westfalen bestimmen die Geschicke des gesamten Landes seit je stärker als alle anderen Landsmannschaften. Die Euphorie der Berliner Republik ist verflogen. Landsmannschaftliche Bodenständigkeit aus dem Münsterland, aufstiegsorientiertes Selbstbewusstsein in (Ost-)Westfalen-Lippe und risikobereites Rheinland - das ist eine Mischung, die das bevölkerungsreichste Bundesland der "Arm, aber sexy"- Philosophie der Hauptstadt entgegenstellt. Es sind nicht die schlechtesten Werte, sondern die besseren. NRW ist ein starkes Land. Morgen entscheiden die Wähler auch über die Zukunft des politischen Systems. Sie geben die Antwort auf die Frage, ob das System der großen Volksparteien Zukunft hat, die mit einem kleineren Partner regieren können, oder ob ein Mehrparteienbündnis oder gar eine große Koalition dauerhaft an die Stelle treten wird. Und es gibt damit auch eine gewisse Signalwirkung im Blick auf Berlin. Wichtig ist, dass alle Parteien, die sich um Inhalte und Ziele streiten, im demokratischen Konsens miteinander koalitionsfähig sind und bleiben. Wichtig ist, dass die Politik nah bei den Menschen bleibt und sich um deren Anliegen und Sorgen kümmert. Wichtig ist, dass die Bürger ihr Wahlrecht - die wichtigste Errungenschaft der Demokratie - wahrnehmen. Gehen Sie also wählen! Spätestens am Montag werden wir wissen, wie Sie entschieden haben.
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