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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Öffentliche Bauskandale Reformbedarf CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Über Deutschland lacht die Sonne, über Berlin lacht Deutschland - und die internationale Flugbranche. Jedenfalls wenn es nicht so peinlich und vor allem nicht so teuer wäre. Der Bau des neuen Hauptstadtflughafens, so viel ist sicher, mündet in ein Desaster. Um 1,7 Milliarden Euro sind die Kosten für das Großprojekt auf mehr als vier Milliarden Euro angewachsen, ein Ende ist nicht in Sicht. Ähnlich ist es beim Mega-Neubau der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Erst verschwanden geheime Bauunterlagen, und dann explodierten auch bei diesem Vorhaben die Kosten. Es ist auffällig, dass solche Projekte besonders oft aus dem Ruder laufen, wenn die öffentliche Hand baut. Denn auch die Elbphilharmonie in Hamburg gerät zum Finanz- und Managementskandal. Dem Stadtarchiv in Köln - einst in der Baugrube der U-Bahn (öffentlicher Bau) verschwunden - droht ein ähnliches Schicksal. Und in Bielefeld stellt die Verwaltung nach Beginn der Bauarbeiten für das technische Rathaus plötzlich fest, dass Platz für das gesamte Umweltamt mit etwa 100 Arbeitsplätzen fehlt. Zuvor war schon die Baugenehmigung umstritten und von einem Anlieger erfolgreich beklagt worden. In der Gemengelage von Politik und Verwaltung wuchert bei Bauvorhaben überall Dilettantismus. Oder werden privatwirtschaftliche Skandale nur weniger bekannt? Oder werden moderne Projekte automatisch so groß, dass effektive Planung und Kontrolle nicht möglich sind? Deshalb auf sie verzichten? Unsinn. Was wäre die Skyline Sydneys ohne die Oper? Und auch in Hamburg ist die Skandalphilharmonie schon heute faszinierender Hingucker. Politiker sind keine Experten für Großbauten, keine Bauingenieure, keine Projektmanager oder Fachjuristen. Müssen sie auch nicht sein. Dafür haben sie die Verwaltungen. Doch dort fehlt es ebenfalls an Fachleuten. Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht bemerkt, dass die Beamten den Profis der Privatwirtschaft nicht gewachsen sind. Als Antwort schlägt sie eine Eliteschule für Beamte vor. Guter Ansatz, aber die erfolgreichsten und besten Absolventen gingen bald in die Privatwirtschaft, weil dort besser bezahlt wird. Diesen Preiswettbewerb kann und darf die öffentliche Hand nicht aufnehmen. Die private Großbauwirtschaft steigt in jedes Projekt mit Billigangeboten ein und verhandelt dann genauso unverschämt und dreist wie hartnäckig nach. Wenn es zu spät ist zum Aussteigen. Die Bedingungen sind neu zu regeln. Angebote müssen verbindlicher, später nachgeschobene Wünsche der Bauherren vor dem Beschluss verlässlich bepreist sein, eine externe Kontrolle und Bauaufsicht vorgeschrieben werden, so dass stets eine neutrale Stelle zur Überprüfung der Streitigkeiten existiert. Außerdem muss eine stärkere Verantwortlichkeit verankert sein. Fehlerhaftes Handeln, Versagen und Gleichgültigkeit bleiben in der öffentlichen Verwaltung eher ohne Folgen als in der Privatwirtschaft. Und da dort immer mit eigenem Geld, nicht mit dem anderer Menschen (Steuerzahler) gearbeitet wird, ist dort auch die Aufmerksamkeit größer.

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