Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Steinbrücks Transparenzoffensive Thema abhaken ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Der Kandidat ist zum Glück lernfähig. Hatte Peer Steinbrück zunächst den Eindruck erweckt, dass Fragen nach seiner Vortragstätigkeit in Richtung Majestätsbeleidigung tendieren, ist er nun nach vorne geprescht. Der Exfinanzminister hat alle seine Nebeneinkünfte auf Euro und Cent veröffentlicht. Hinsichtlich der Transparenz von Abgeordneten hat er damit eine Vorbildfunktion eingenommen. Union und FDP verhielten sich gestern auffällig ruhig. Die Klügeren in der Koalition haben längst begriffen, dass sich Steinbrücks Transparenzoffensive als Bumerang erweisen könnte. Denn die meisten Nebenverdiener kommen immer noch aus den Reihen von Schwarz-Gelb. Ihnen steht aber nicht der Sinn nach rückhaltloser Offenheit. Man ahnt bereits, dass die Beichte des Kandidaten vor allem in der SPD Stirnrunzeln hervorruft. Ein Millionär als Kanzlerkandidat? Kann das gutgehen? Ja, es kann, und die SPD wäre gut beraten, das Thema schnell abzuhaken und sich über das Konto ihrer Nummer eins keine Gedanken mehr zu machen. Man muss nicht unbedingt verstehen, warum die Stadtwerke Bochum das Spitzenhonorar von 25.000 Euro hingeblättert haben, um Peer Steinbrück einen Abend lang reden zu hören. Aber es belegt, dass der Kandidat über eine seltene Gabe verfügt: Er kann die Welt und vor allem die Krise erklären. Und zwar so tiefgründig, dass Leute bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Das ist nicht unwichtig, denn die jetzige Regierungschefin ist erklärungsarm, und die schwarz-gelbe Koalition wurschtelt sich lieber durch, als Diskurse anzustoßen. Ein Trost für die Skeptiker: Die meisten Vorträge hat Steinbrück unentgeltlich gehalten. Und wenn es ihm nur ums Geld ginge, würde er bestimmt nicht Bundeskanzler werden wollen. Das ist ein im Vergleich zur freien Wirtschaft absolut miserabel bezahlter Chefposten.
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