Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Zypernkrise Fiasko mit Lerneffekt KNUT PRIES, BRÜSSEL
Bielefeld (ots)
In einem sind sich die Beteiligten einig: Aus der Vereinbarung, mit der das Thema Nothilfe für Zypern und seine Banken vor Ostern abgeräumt werden sollte, wurde ein politisches Fiasko. Der geplante Zugriff auf die Sparkonten löste einen Aufschrei aus - ein Anschlag aufs Unantastbare, aufs soziale Ende der Finanzwirtschaft! Die mühsam erreichte Beruhigung von Menschen und Märkten wich einer neuen Angst- und Misstrauenswelle. Wie konnte das so erfahrenen politischen Dirigenten wie Wolfgang Schäuble und Co. passieren? Ein Insider des EU-Finanzapparats kann es sich nur als "kollektiven Blackout" erklären - die Finanzminister der Euroländer plus Vertreter der EU-Kommission, des IWF und der EZB hätten im Eifer des nächtlichen Gefechts nicht mehr recht gewusst, was sie taten. Das ist wohl etwas verkürzt. Weil es sich letztlich nicht um einen exorbitanten Betrag handelt, scheint eine Lösung für Zypern nicht unmöglich: Bei Freistellung von Konten bis zu 20.000 Euro ergäbe sich eine Lücke von ein bis anderthalb Milliarden Euro. Die ließen sich notfalls auf anderem Wege abschöpfen, etwa durch eine höhere Unternehmenssteuer. Der allgemeine Vertrauensschaden aber ist nicht einfach ungeschehen zu machen. Misstrauen hat besonders die Länder erfasst, die auch auf Unterstützung angewiesen sind und sich nun fragen, ob es bei ihnen womöglich auch ans Ersparte geht. Die ersten Reaktionen in Spanien oder Italien deuten nicht auf Panik hin. Es scheint bislang nicht nötig, wie in Zypern die Bankschalter erst mal zu schließen. Ein schleichender Abfluss durch nervöse Anleger ist aber wahrscheinlich. Dem gegenüber steht, wenns gutgeht, ein heilsamer Lerneffekt: Wer in Zypern, Portugal oder Island zweieinhalbmal so hohe Zinsen erhält wie bei der Hausbank, bekommt sie nicht umsonst: Er zahlt mit höherem Risiko.
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