Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses Die Schranke im Kopf ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Es gibt Grund, die Politik zu loben. Der NSU-Untersuchungsausschuss hat in kurzer Zeit viel geleistet. Es liegt ein substanzieller Bericht vor. Eine Vielzahl von Vorschlägen soll verhindern, dass so etwas Unglaubliches noch einmal passiert, dass also eine rechtsterroristische Zelle im Untergrund fast 14 Jahre lang ungehindert ihre Verbrechen begehen kann, unter anderem zehn Morde, Sprengstoffanschläge und Banküberfälle. Es gibt Dinge, die lassen sich vermutlich relativ schnell ändern. Das föderale Chaos könnte etwas minimiert werden, wenn man die Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts ausweiten würde. Die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes sollte gestärkt werden. Aber die wesentliche Aufgabe ist viel schwieriger. Sie berührt ganz andere Bereiche. Es geht um nicht weniger als um eine Veränderung von Mentalitäten. Und diese existieren nicht nur bei Polizei und Verfassungsschutz, sondern in der gesamten Gesellschaft. Nach den Morden war es nicht grundsätzlich falsch, mit Ermittlungen im familiären Umfeld der Opfer anzusetzen. Das ist Routine und geschieht bei jedem Gewaltverbrechen. Doch das ungeheuer Verstörende in diesen Fällen liegt ja darin, dass Polizei und Verfassungsschutz nicht in der Lage waren, die Ergebnislosigkeit ihres Tuns zu analysieren und dann die Ermittlungsrichtung zu ändern. Im Denken gab es offenbar eine unüberwindbare Schranke: In dieser beängstigend einseitigen Weltsicht durften nur Ausländer die Schuldigen sein. Lieber schalteten die Ermittler Wahrsager ein, als die Möglichkeit eines rechtsextremistischen Hintergrunds und von "deutschen" Tätern auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen. Im Ergebnis hat der Rechtsstaat versagt. Er hat nicht funktioniert, weil die verantwortlichen Stellen vorurteilsbeladen und damit zutiefst unprofessionell gehandelt haben.
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