Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Die 65. Frankfurter Buchmesse wird heute eröffnet Neue Gründerzeit STEFAN BRAMS
Bielefeld (ots)
Fünf Tage lang dreht sich in Frankfurt alles um das Thema Buch. Und natürlich wird auf der 65. Internationalen Buchmesse auch wieder über die Zukunft des gedruckten Buches debattiert werden. Doch in die seit Jahren anhaltende Debatte hat sich ein neuer Ton gemischt. Längst wird die Zukunft des gedruckten Buches nicht mehr so düster gesehen und das digitale Publizieren von der Branche nicht mehr nur als Bedrohung empfunden, sondern vielmehr als Chance betrachtet, neue Käuferschichten zu erschließen und Bücher ganz anders aufbereitet und in die Welt des Internets verlängert auf den Markt zu bringen. Wolfgang Balk, Geschäftsführer des Deutschen Taschenbuch-Verlags, bringt die neue, pragmatische Haltung vieler Verleger zu analoger und digitaler Welt im Interview mit dieser Zeitung auf den Punkt: "Hauptsache, die Literatur lebt und die Menschen lesen." Und Buchmessedirektor Juergen Boos macht gar "eine neue Gründerzeit" aus. Auch an diesem großen Wort ist etwas dran. Denn rümpften die Verlage zum Beispiel beim neuen großen Thema Self-Publishing noch die Nase über Autoren, die ihre Bücher selbst verlegen, so springen sie jetzt selbst immer stärker auf diesen Zug auf. Das alles zeigt: Die Buchbranche unterliegt einem radikalen Wandel und tut gut daran, im digitalen Publizieren eine Chance zu sehen und die vielen kleinen Start-ups genau zu beobachten, die an neuen Autoren- und Verlagsplattformen basteln. So bringt Sascha Lobo zum Beispiel mit "Sobook" Bücher direkt als Websites heraus, und jeder kann, wenn er mag, im Buch beim Lesen mitdebattieren. Und Ralph Möllers stellt mit "Flipintu" ein individualisiertes Online-Magazin vor, das je nach persönlichem Interesse Buchtipps, Leseproben und Kritiken von Gleichgesinnten aus dem Netz sammelt und seinen Kunden zur Verfügung stellt. Selbstbewusst mahnt er: "Wenn es der Buchbranche nicht gelingt, die Netzgemeinde auf Augenhöhe anzusprechen, dann droht ihr das gleiche Schicksal wie der Musikindustrie." Für Debattenstoff ist also weiter gesorgt in Frankfurt. Denn natürlich bereitet die schöne neue digitale Welt dem Buchmarkt auch Kopfzerbrechen. Vor allem der stationäre Buchhandel verliert kontinuierlich an Boden. Amazon heißt die wohl größte Herausforderung. Der Riese aus den USA ist längst nicht mehr nur Onlineversandhändler und E-Book-Gigant mit einem geschlossenen Kreislauf, sondern auch zum Verleger geworden und damit auf dem Weg zum Monopolisten, der nur zu gerne die deutsche Buchpreisbindung auch für E-Books zu Fall bringen würde. Eine gefährliche Entwicklung, die zur Verödung des Buchmarkts und zum Verschwinden von noch mehr Buchhandlungen und engagierten Verlagen führen würde. Doch Frankfurt dürfte auch den Freunden des gedruckten Wortes Freude machen, geht die digitale Welt doch auch einher mit einer Renaissance des qualitativ hochwertigen Buches. Gründerzeiten sind spannende Zeiten - analog und digital.
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