Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar EU-Ukraine-Politik Diplomatische Leseschwäche Knut Pries, Brüssel
Bielefeld (ots)
Es ist kein Glanzstück diplomatischer Kunst, was die Verantwortlichen der EU-Nachbarschaftspolitik in Sachen Ukraine hingelegt haben. Sie haben die Grundtugend jeder erfolgreichen Strategie im Umgang mit Dritten vermissen lassen: Dechiffrierkompetenz. Es fehlt an der Fähigkeit zu begreifen, was der andere will und wie er seine Ziele verfolgt. Bis unmittelbar vor dem Vilnius-Gipfel ging die EU davon aus, dass sie mit dem unterschriftsreifen Partnerschaftsabkommen dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch eine attraktive Wohlverhaltensprämie anzubieten habe. Um dieses Preises willen werde er womöglich in letzter Minute über seinen Schatten springen und seine Erzrivalin Timoschenko aus dem Gefängnishospital entlassen. Eine Fehlkalkulation. Nicht nur dachte Janukowitsch nicht daran, Timoschenko Freiheit oder mindestens Behandlung in Deutschland zu gewähren. Er verschmähte auch den vermeintlich unwiderstehlichen Super-Köder. Wie das? Die EU-Oberen sind ratlos, was Janukowitsch getrieben haben mag, ein unter seiner Ägide ausgehandeltes Abkommen unerledigt zu archivieren. Die Pauschalantwort lautet: "Putin." Das ist plausibel, aber nicht annähernd präzise genug. Welche Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche es war, die der russische Präsident so wirksam zum Einsatz brachte; was davon Janukowitsch entscheidend beeindruckte; wie weit der ukrai-nische Staatschef gar nicht nationale, sondern persönliche Interessen im Auge hat - zu all dem gab und gibt es jede Menge Spekulationen, aber wenig Gewissheit. Eindeutiger ist das, was sich auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, tut. Dort artikuliert sich ein massiver proeuropäischer Protest, vor allem der jüngeren Generation. Daraus, immerhin, scheint die EU die richtigen Schlüsse zu ziehen: Das Angebot einer engen Partnerschaft muss die Absage durch Janukowitsch überdauern. Die Frage bleibt: Wie soll man umgehen mit den Ambitionen Russlands unter dem postimperialen Ehrgeizling Putin? Eine schöne Aufgabe für den künftigen Bundesaußenminister.
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