Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar USA und Russland im Dauerstreit Obamas Zaudern, Putins Stärke Dirk Hautkapp, Washington
Bielefeld (ots)
Barack Obama kann Basketball. Wladimir Putin kann Judo. Das macht sich in der Politik bemerkbar. Der eine verteilt - siehe Olympia in Sotschi - aus der Distanz gerne Körbe. Der andere sucht Körperkontakt. Obama will aussitzen, Putin aushebeln. 2013 haben sich beide Staatenlenker so oft und so heftig überworfen, ignoriert, getriezt und geschurigelt wie noch nie. Irak, Afghanistan, Syrien, der iranische Atomkonflikt, die Zukunft der nuklearen Abschreckung, NATO-Raketenschirm, Menschenrechte, der Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten wie Schwulen und Lesben, die Adoption russischer Kinder, der Kampf um Rohstoffe und technologische Führung, nicht zuletzt die Causa Edward Snowden - kein Politikfeld, auf dem sich Russland und Amerika nicht gegenseitig Beinchen stellten. Wobei Moskau die treibende Kraft der Fehde ist. 20 Jahre nach dem Zerbröseln des Kommunismus sucht der Putinismus den zerronnenen Bedeutungsverlust durch die tägliche Portion Antiamerikanismus zu kompensieren. So fad, so wirkungsvoll. Dass Putin zuletzt auffallend häufig als Punktsieger in vielen Streitfällen gilt und sich - siehe Michael Chodorkowski - auch noch Gnadengesten gestattet, lässt zum Jahreswechsel wenig Gutes erahnen. Mit den Olympischen Winterspielen und dem G-8-Gipfel, beides in Sotschi, hat der ehemalige KGB-Oberst 2014 zwei grell ausgeleuchtete Bühnen zur Verfügung, auf denen er sein politisches Kabuki-Theater fortsetzen kann. Putin beherrscht aber nur eine Rolle: den starken Mann markieren, der Amerika auf die Matte zwingt, weil ihm sonst innenpolitisch alles zusammenkrachen würde. Viele Menschen in Russland vermissen jede Perspektive. Das Riesenreich ist marode und korrupt, im Grunde genommen ein Globalisierungsverlierer mit Gasvorkommen. Die aus zaristischer Vergangenheit stammende Illusion eines starken Zuchtmeisters, der Väterchen Russland durch die harten Zeiten führt, hält sich umso hartnäckiger. Und da kommt ausgerechnet das US-Magazin Forbes vorbei und adelt den gerne mit blanker Brust oder prallem Fisch an der Angel posierenden Putin als mächtigsten Mann der Welt. In Wahrheit ein fleischgewordenes Potemkinsches Dorf. Die Schuld daran trägt in weiten Teilen Obama. Durch Zaudern, Ausweichen und Linksliegenlassen hat er den Russen groß werden lassen. So groß, dass sich Putin in der Frage Iran (Atomprogramm) und Syrien (Vernichtung der Chemiewaffen) zum klugen Strategen und Friedensfürsten aufblasen konnte, der das Ganze im Auge hat. Hat er aber nicht. Im Duktus verschlagener Politbüro-Apparatschiks springt Putin in jede Lücke, die der an Burnout und klammen Kassen leidende Ex-Weltpolizist Amerika frei macht. Und das nur, weil es Obamas Doktrin ist, nicht mehr "die einzige unverzichtbare Nation" zu sein. Obamas Versäumnis war es, Russland, ob unter Medwedew oder Putin, nie in ein Bündnis der Gemeinsamkeiten gezwungen zu haben. Was ab 2014 aus Afghanistan wird, wo der internationale Terrorismus neue Basislager aufschlägt, welche Mächte demnächst den Cyberspace erobern werden - das sind alles elementare Fragen, die Russland wie Amerika letztlich nur im Verbund lösen können, nie gegeneinander. 2009 wollte Obama den "Reset"-Knopf drücken. Der Neustart im amerikanisch-russischen Verhältnis ging gründlich in die Hose. Ein Jahr vor den Halbzeitwahlen in Washington, wo andere Kräfte, nicht die Vernunft, das langfristige Handeln auch des Weißen Hauses bestimmen, scheint es zu spät für einen zweiten Versuch. Dabei wäre er so bitter nötig.
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