Neue Westfälische (Bielefeld): Medien in der Kritik Seriöser Anspruch THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Furchtbares ist geschehen. Noch immer stehen wir fassungslos vor dem Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine mit 150 Toten in den französischen Alpen. Auch wir in der Redaktion stehen noch unter Schock. Ich schreibe dies an dieser Stelle auf, weil uns zum Unglück und der Berichterstattung dazu so viele Leser angerufen, geschrieben, gemailt haben wie selten zuvor. Viele haben sich bedankt für die umfangreiche, umfassende und zugleich zurückhaltende Berichterstattung. Manche hätten sich von ihrer heimischen Zeitung eine weniger detaillierte Berichterstattung gewünscht, eine, die noch mehr Distanz zu Täter und Opfern wahrt. Einige wenige haben uns auch wegen zu großer Nähe zum Geschehen beschimpft. Die Medien selbst sind bei diesem Unglück zu einem zentralen Thema in der Gesamtberichterstattung geworden. Das ist bedauerlich. Und es ist außerdem falsch. Was immer sich Journalisten und die Medien an Fehlern geleistet haben mögen: Sie sind nicht das Thema, um das es hier geht. Sie sind die Überbringer der Katastrophenbotschaft, aber nicht die Verursacher oder Schuldigen der Katastrophe. Jede Redaktion in Deutschland hat sich für ihre Berichterstattung vor die Wahl gestellt gesehen zwischen Nähe und Distanz, Gefühl und Information, Offenheit und Diskretion. Die allermeisten der Antworten, die von den Redaktionen gefunden wurden, waren vertretbar. Aber es gab auch einige, die den Rahmen seriöser Berichterstattung verlassen haben. Das ist so bedauerlich wie ärgerlich und zu verurteilen. In beeindruckender Weise hat Mika Baumeister, ein Schüler des Halterner Gymnasiums, das in dieser Woche verurteilt. Er hat zu Recht darauf verwiesen, dass man nicht vor laufenden Kameras trauern kann. Er hat zu Recht verurteilt, dass Medien sich durch Bestechung von Schülern unlauter Informationsmaterial beschafft haben oder beschaffen wollten. Und er hat Respekt der Medien vor der Trauer verlangt. Alle diese Hinweise des Halterner Schülers sind mehr als berechtigt. Tatsächlich entsprechen sie auch dem Verhaltenskodex, den wir Medien als Selbstverpflichtung eingegangen sind und den auch unser Verlag unterschrieben hat. Achtung vor der Menschenwürde ist darin erste Pflicht. Und Respekt vor dem Leid von Opfern. Dagegen wird verstoßen - leider ja. Aber es gibt auch Sanktionsmechanismen, die dann greifen. Es sind Mechanismen, denen sich die Medien und ihre Journalisten selbst unterwerfen. Der Verstoß gegen die Prinzipien dieser seriösen Medien kann und darf nicht der Grund für eine pauschale Verurteilung der gesamten Berichterstattung sein. Es gibt ein Recht auf Information und Anteilnahme der Öffentlichkeit. Diesem Recht zu entsprechen, bemühen sich die rechtschaffenen, seriösen Medien. Das nehmen wir auch für uns in Anspruch. Es mag sein, dass wir unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen Tage, insbesondere auch der Diskussion und der Kritik, die uns erreichte, heute Entscheidungen anders treffen, noch zurückhaltender insbesondere mit Informationen und Bildern von Betroffenen umgehen würden, als wir es bereits getan haben. Aber das Prinzip der Aktualität regiert unser Handeln. Die kritische Analyse und Rückschau gibt uns Hinweise für unsere zukünftige Berichterstattung. Die Medienkritik aber, die pauschal und geschmacklos vom "Absturz" der Medien fabuliert, ist unfair. Sie operiert selbst mit den Werkzeugen und Mechanismen, die sie kritisiert. Sie unterstellt den seriösen Berichterstattern unseriöse Motive. Das ist wohlfeil - und unseriös.
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