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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Wahlsieg des Front National in Frankreich Ruck ganz nach rechts Peter Heusch, Paris

Bielefeld (ots)

Die Regionalwahlen sind die letzten Urnengänge vor den Präsidentschaftswahlen. Entsprechend groß ist ihre Signalwirkung. Eine beängstigende Signalwirkung, aus französischer wie aus europäischer Sicht. Denn der scheinbar unaufhaltsame Vormarsch des rechtsextremen Front National sorgt gerade dafür, dass unseren Nachbarn ihr gesamtes politisches Koordinatensystem um die Ohren fliegt. Schon seit er beständig über der 20-Prozent-Marke liegt, stellt der Front National das traditionelle Zwei-Lager-System in Frage. Bislang bürgte das Mehrheitswahlrecht dafür, dass sich allein Sozialisten oder Konservative an der Macht abwechselten. Doch den Nationalisten ist es gelungen, sich erst als dritte und nun sogar als stärkste Kraft ins Spiel zu bringen. Am kommenden Sonntag entscheidet sich nicht, ob Frankreich nach rechts rückt, sondern ob das Land nach ganz rechts rückt und auf Distanz zur Europäischen Union geht. Wenn die Nationalisten nun in einer oder mehreren dieser regionalen Verwaltungseinheiten das Ruder übernehmen sollten, könnten sie diese Regionen zum Schaufenster ihrer Politik machen, zu der die europäische Abschottung gehört. Konflikte mit der EU-Kommission, etwa bei der Wirtschaftsförderung, sind da nahezu programmiert. Marine Le Pen will an die Macht. Ihr Ziel ist es nicht, Regionalpräsidentin zu werden, sondern Staatspräsidentin. Mit der Eroberung einer Regionalpräsidentschaft aber käme sie der Eroberung des Élysée-Palasts einen großen Schritt näher, schon weil damit bewiesen wäre, dass sie nicht nur in eine Stichwahl gelangen, sondern sie auch gewinnen kann. Die Gefahr, dass die 47-jährige Juristin 2017 den Sprung in die Stichwahl um die Präsidentschaft schafft, galt schon vor diesen Regionalwahlen als groß. Aber nun schmilzt die Zuversicht, dass sie dann wenigstens in jedem Fall geschlagen würde. Der Front National hat den Wind im Rücken. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass dafür allein die Terrorgefahr sorgt. Immer mehr Franzosen wenden sich von den etablierten Parteien ab, weil sie sie für die schon viel zu lange anhaltende Wirtschaftskrise im Land verantwortlich machen. Die Schuldigen heißen in ihren Augen Sarkozy und Hollande, die beide 2017 als Präsidentschaftskandidaten antreten wollen. Aber bereits als erfolgsgekrönte Chefin einer nationalistischen Partei, die regionale Verantwortung übernimmt, könnte Le Pen für über die Grenzen Frankreichs reichende Veränderungen sorgen. Schließlich steht sie für eine neue Form der rechtsnationalen und antieuropäischen Rückbesinnung, die in vielen europäischen Ländern Zulauf hat. Selbst in die deutsch-französische Partnerschaft droht der wachsende Einfluss einen Keil zu treiben. Mit wie viel Unterstützung aus Paris kann Berlin noch rechnen, wenn etwa in der derzeit drängenden Frage der Flüchtlingspolitik Frankreichs Führung in die Versuchung gerät, aus innenpolitischen Gründen der Stimmungsmache des Front National weniger Angriffsfläche zu bieten?

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