Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Lieferengpass bei Impfstoffen Der Markt muss attraktiv bleiben MARTIN FRÖHLICH
Bielefeld (ots)
Wenn im Lande etwas schiefläuft, wird der Ruf nach Politik und Staat laut. Sollen die in Berlin das regeln. Was auch nicht immer zur Lösung des Problems führt. Das Gesundheitssystem ist ein System freier Kräfte, das behördlich kontrolliert wird. Erstaunlicherweise hat sich dieses Hybridmodell bewährt. Ja, es hat eine der besten medizinischen Versorgungen weltweit möglich gemacht. Doch Teile des Systems stehen auf dem Spiel. Die Krankenkassenbeiträge steigen, obwohl die Menge der Einzahler Rekordwerte erreicht und die flutartige Wirkung des demografischen Wandels, der für immer mehr alte und auch kranke Menschen sorgt, erst tröpfchenweise einsetzt. Der lange befürchtete Ärztemangel wird real, obwohl genügend junge Leute Medizin studieren. Doch die gehen lieber in Krankenhäuser, als sich niederzulassen. Krankenhäuser wiederum kämpfen gegen die Pleite, obwohl so viel Geld ins System fließt wie noch nie. Nun beginnt eines der Glanzstücke des Modells zu bröckeln: der Impfschutz. Man mag einwenden, dass es keinen Grund zur Panik gibt, wenn Impfungen verschoben werden oder man auf eine andere Impfstoffkombination ausweichen muss. Aber generell gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Die Ärzte bekommen die Lieferengpässe immer stärker zu spüren. Sie nehmen das Gesundheitsministerium in die Pflicht, weil das der Hebel sei, der die Pharmaindustrie in Bewegung setzen kann. Es gibt in der westlichen Welt nur drei nennenswerte Hersteller von Impfstoff. Die Marktmacht dieser Firmen ist gewaltig. Und sie müssen Geld verdienen, das liegt in ihrer Natur. Wenn das freie Zusammenspiel der Kräfte nicht funktioniert, hilft manchmal staatliche Steuerung. In der Impffrage scheint es einen Versuch wert zu sein. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe muss gegen die Ursachen vorgehen. Zumal sich seine Partei gerade für eine Impfpflicht bei Kindern ausgesprochen hat. Gröhe könnte EU-weit einheitliche Rahmenbedingungen anstreben, damit es für die Hersteller nicht verlockender ist, in andere Länder zu liefern. Schließlich ist Brüssel doch sonst so an Chancengleichheit gelegen. Oder er könnte vor Ort Anreize schaffen, was bedeuten würde, dass mehr Geld an die Pharmaindustrie fließt, damit die den deutschen Markt für attraktiv hält. Wenn es um das hohe Gut des Impfschutzes geht, wäre dieser (Auf)Preis zu vertreten.
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