Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar 25 Jahre Vertrag von Maastricht Halbherzigkeit mit Folgen Knut Pries, Brüssel
Bielefeld (ots)
Maastricht lebt. Im Unterschied zu späteren Fortschreibungen ist das vor einem Vierteljahrhundert unterzeichnete Grundgesetz nicht zur historischen Fußnote verblasst. An die Verträge von Amsterdam oder gar Nizza erinnern sich nur Spezialisten. "Maastricht" hingegen ist eine Chiffre mit anhaltender Resonanz. Der Begriff ist gegenwärtig in den Diskussionen um das Schicksal der gemeinsamen Währung. Der Name der niederländischen Provinz-Hauptstadt ist zu einem Schlagwort geworden, mit dem auch Laien etwas verbinden. Viele - vor allem Deutsche - verbinden damit allerdings nichts Gutes. "Maastricht" steht für ein Schlüsseldatum der europäischen Integration, das gilt für Freunde und Gegner des Projekts. Sowohl für diejenigen, die das Abgleiten in den europäischen Superstaat fürchten. Wie für die anderen, denen mehr Gemeinsamkeit als der einzige Weg zur Frieden, Prosperität und Selbstbehauptung erscheint. Ob zu viel oder zu wenig - die Bedeutung des 1992 unterzeichneten Vertrags geht über das Kernthema Euro hinaus. Die damals zwölf Mitgliedstaaten vereinbarten einen Fahrplan zum Übergang in die Währungsunion. Die Verschmelzung von Franc und D-Mark, von Lira und Gulden war keineswegs ein ad hoc geschlossener Deal, bei dem Helmut Kohl für den Verzicht auf die Mark die Zustimmung der Partner zur Wiedervereinigung erkaufte. Richtig ist indes: Die neue Architektur, mit der Währungsunion als zentralem Element blieb Stückwerk. Die notwendige Ergänzung um eine "politische Union" kam nur rudimentär zustande. Zwar wurde in Maastricht aus der Europäischen Gemeinschaft (EG) die Europäische Union. Aber das war Etikettenschwindel - ein nie wirklich eingelöstes Versprechen. Die Kluft zwischen einheitlicher Währung und nationaler Finanz- und Wirtschaftspolitik besteht fort. In Deutschland bezeichnet "Maastricht" zugleich den Moment einer unangenehmen Erkenntnis: Die "immer engere Union der Völker", der Zugewinn an Sicherheit und Wohlstand, war nicht umsonst zu haben. Sie hatte einen Preis - die Geburt des (damals noch nicht so getauften) Euro bedeutete zugleich das Ende der geliebten Mark. Der spezielle Schmerz über den Verlust ist eine deutsche Sache. Aber seit der Maastrichter Fehlkonstruktion vergiftet auch in anderen Ländern Misstrauen das Verhältnis des Fußvolks zum proeuropäischen Kurs der Eliten. In Maastricht hat die EU ins Visier genommen, worum es beim europäischen Einigungswerk in letzter Konsequenz geht. Sie hat sich aber weder in der Sache noch in der Ansprache an den Bürger getraut, das zu tun, was notwendig ist. Maastricht ist der Name einer historischen Halbherzigkeit. Unter den Folgen leidet Europa bis heute.
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