Neue Westfälische (Bielefeld): Die Parteien sortieren sich nach der Bundestagswahl Die Logik der Zahlen Thomas Sei
Bielefeld (ots)
Eigentlich - so scheint es - ist doch alles ganz einfach: Es reicht rechnerisch für ein Regierungsbündnis aus CDU, CSU, FDP und Grünen. Zugleich signalisiert Angela Merkels Alternative für eine Regierungsbildung in einer neuen großen Koalition, die SPD, dass sie nicht zur Verfügung stehen wird. Also ist der Weg für ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis frei. So geht die Logik der Zahlen, aber nicht die Logik der Politik. Insbesondere die Union tut sich sehr schwer mit dem Gedanken, künftig am Tisch mit Christian Lindner und Cem Özdemir zu sitzen und die Führungsrolle in einer Regierungskoalition zu übernehmen. Das entspricht nicht dem Konzept einer Präsidialkanzlerin, das Angela Merkel in zwölf Jahren zu einer gewissen Perfektion gebracht hat. Die Union bemerkt erst sehr langsam, dass sie der eigentliche schwerer getroffene Wahlverlierer ist. Während die SPD in die Opposition geht und damit ihre Niederlage offen akzeptiert, legten noch in der Wahlnacht Kanzleramtsminister Altmaier und Unionsfraktionschef Kauder Wert darauf, dass CDU/CSU den Regierungsauftrag erhalten haben und damit einer der Wahlgewinner seien. Tatsächlich allerdings werden am Tag danach erst die dramatischen Auswirkungen des Ergebnisses für die Union offenbar. CSU-Chef Horst Seehofer verantwortet mit CDU-Chefin Merkel das historisch schlechte Ergebnis der Union - auch in Bayern. Ein Jahr vor der Landtagswahl dort ist der Alleinvertretungsanspruch der "Bayern-Partei" akut gefährdet. Es will einem kein echtes Szenario einfallen, wie vor diesem Hintergrund etwa in der Flüchtlingspolitik eine Vereinbarung in der Jamaika-Koalition aussehen könnte. Dass FDP und Grüne Seehofers "Obergrenze" für Flüchtlinge zustimmen könnten, ist nahezu ausgeschlossen. Es wäre ein Offenbarungseid dieser Parteien. Der CSU-Chef hatte sie zunächst zur Koalitionsbedingung machen wollen, war dann davon wieder abgerückt. Dass dies so bleibt - man kann es sich kaum vorstellen. In der Energiepolitik liegen zwischen Kohleausstieg (Grüne), Kohlenutzung (FDP) und einem Sowohl-als-auch (Merkel) noch Welten. Ebenso beim Einwanderungsgesetz, der Inneren Sicherheit und der Steuerpolitik. Seehofer will einen Mitte-Rechts-Kurs, die Kanzlerin will weiter auch mit der SPD sprechen. Die Logik der Zahlen garantiert also keinen Automatismus für Schwarz-Gelb-Grün. Kurz: Die Lage ist konfus. Wie konfus - das mag man daran ablesen, dass Zweifel an einer Regierungsbildung noch in diesem Jahr immer stärker werden - ganz gleich, was die Logik der Zahlen vorzugeben scheint. Die Logik der Politik lautet indes: So viel Zeit haben die Wahlsieger nicht. Bundeskanzlerin Merkel steht unter Zeitdruck. Seit Sonntag.
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